Heiliger Kraftort

In dem Buch über die Kalahari erfährt Laurens van der Post, der eine Expedition mit einem Dutzend Leuten und vier Land-Rovern führt, dass in den Slippery Mountains Buschmänner und heilige Bilder zu finden wären. Doch bei den aufreibenden Vorbereitungen vergisst er, seinen Leuten ein wichtiges Detail zu sagen …

Samutchoso, ein alter Heiler und Medizinmann, hatte von den Bildern gesprochen, deren Farben nicht verblassen. Damit die großen Geister ihnen nicht schaden könnten, dürften seine Leute auf dem Weg dorthin kein Lebewesen töten, nicht einmal eine Fliege. Plötzlich hört Laurens Schüsse, und instinktiv weiß er, was er vergessen hatte, seinen Leuten weiterzugeben, die ein Warzenschwein und einen Springbock erlegt haben, kurz vor den Slippery Mountains. »Das ist meine Schuld«, stöhnt er. »Ich hatte mein Versprechen vergessen.«

Wie der Uluru in Australien erheben sich die »rutschigen Berge« direkt aus der Ebene, und obwohl sie höchstens 300 Meter hoch sind, wirken sie Furcht erregend. Ein Kudu-Büffel taucht auf und quert ihren Weg, als sei er einer der zu einem Tier gewordenen Geister. Die Expeditionsteilnehmer fühlen sich unwohl. Und dann, vor Sonnenaufgang, hören sie ein dumpfes Brummen, und schwarze, formlose fliegende Horden tauchen auf und fallen über sie her.

Es sind Bienen, und sie wollen stechen. Laurens van der Post ruft: »Tötet keine einzige!« Jeder wird mehrere Male gestochen, aber das Frühstück dann sorgt wieder für eine Hebung der Lebensgeister. Die Männer gehen im Gänsemarsch und sehen bald nach dem Emporsteigen ein paar eingefallene Höhlen, an deren stehengebliebenen Wänden wundersame Gemälde prangen, auf honigfarbenem Stein im blauen Grund der Felsen prangend: eine purpurrote riesige Antilope mit zwei kleineren Genossen daneben, eine Giraffe, die ihr Kind betrachtet, und dann auch das Bild eines Mannes.

Alchemie. Ölbild von Rolf Hannes

Duncan, der Kameramann, ruft nach seiner Ausrüstung. Nach wenigen Aufnahmen blockiert das neue Magazin, und Duncan ist entsetzt. Noch zwei Mal passiert es, dass das Magazin anhält. Sie müssen abbrechen. Es ist unerbittlich heiß, und sie finden nur noch die Überreste eines Lagers: Die Buschmänner sind fort und kommen erst nächsten Winter wieder. Bei einer heiligen Wasserstelle, nahe dem Baum des wahren Wissens, will Samutchoso beten, wo der Große Geist einst betete; aber er fliegt zurück und fällt nieder.

Duncan filmt mit seinem letzten Magazin die Frucht des Wahrheits-Baums, und auch das letzte Magazin streikt. Und am Morgen darauf werden sie schon wieder von Bienen überfallen. Alle meinen nun, sie seien verhext. Samutchoso konsultiert sein Orakel und bestätigt: Der Große Geist sei böse mit ihnen allen. Da hat Laurens van der Post einen Einfall: »Schreiben wir doch dem Geist einen Brief!« Er formuliert ein Entschuldigungsschreiben, adressiert an Die Geister, Tsodilo Hills, steckt es in eine Flasche und vergräbt sie. Bald darauf meldet Samutchoso, alles sei in Ordnung, die Geister zeigten sich versöhnt.

Der Rückmarsch wird ohne Ereignisse vonstatten gehen. Aber der Medizinmann ist traurig. »Die Geister der Berge sind nicht mehr, was sie einmal waren. Vor zehn Jahren noch hätten sie euch alle getötet.« Laurens van der Post denkt auf der ganzen Rückfahrt an den Kummer Samutchosos, dessen Götter an Auszehrung litten, herbeigeführt durch die Ankunft der Europäer. An wen wendet man sich, wenn die eigenen Götter schwächeln? Das eigene Leben verliert seinen Sinn und bewegt sich auf die Katastrophe zu. Damit musste er den alten Heiler alleine fertig werden lassen.

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