Griechenland und wir

Wie geht es Griechenland? Lange nichts gehört. Hier. »Berichterstatter aus Athen melden Ruhe, einige sogar, die es mit den Worten nicht so genau nehmen, melden Ruhe und Ordnung. Ein Bekannter, der gerade von seinem Ferienhaus auf einer griechischen Insel zurückkehrt, hat bestätigt, dass die Fischer und Landarbeiter und Kellner ihrer Arbeit nachgehen und sich keinerlei Hoffnung machen: also Ruhe im Königreich.« So schrieb ein Schweizer Schriftsteller.

Er schrieb auch, der Schweizer Schriftsteller, »dass wir uns mit dem griechischen Volk, das der Menschenrechte beraubt ist, solidarisch erklären: als Zivilisten mit eigenem Gewissen, als Bürger einer Freien Welt, die es nicht gibt, als Widersacher, als die Opposition im Westen, die den Westen qualifiziert als Willen zur einer freieren Welt.« Das war vor einer Kundgebung in Zürich verfasst (wo ich mich gerade aufhalte). Auch Friedrich Dürrenmatt wird dabei gewesen sein.  

Freiheit für Griechenland! Max Frisch (1911−1991) hat das verfasst, es ist aus seiner Rede Griechenland 1967 (unter anderem) und wir. Denn 1967 hatte es dort einen Putsch von rechts gegeben, und Europa war besorgt; aber nicht so sehr wie heute wegen seines Geldes. Die Putschisten hatten ihre Aktion als Aktion gegen kommunistische Unterwanderung verkauft, und Angst vor dem Kommunismus zog seit Ende des Zweiten Weltkriegs immer. Damals sollen die USA Griechenland mit vier Milliarden Dollar jährlich unterstützt haben, weil das Land ein südöstliches Bollwerk gegen den Kommunismus und den Islamismus sein sollte, und vielleicht gab es hinter den Kulissen auch US-Unterstützung für den Putsch. (Bild: griechische Stele)

1974 war es dann nach massiven Protesten zu Ende mit dem Obristen-Regime. Im selben Jahr wurde die Reaktion in Portugal durch die Revolution der Nelken aufgescheucht; 1975 starb dann Franco, der Regent Spaniens, und auch dort breitete sich die Demokratie aus. In Frankreich und Deutschland kam es 1968 zu Studenten-Protesten und in der Folge zu einer höchst fälligen Erneuerung der Gesellschaft, und überhaupt, London und die Hippies, die Beatles und die Rockmusik, die Befreiung der Frau, macht kaputt, was euch kaputt macht! Dies alles ist heute, kaum 45 Jahre später, fast vergessen.  

»Resignation drängt sich auf«, schrieb Frisch. Man steht am Main und schaut hinüber zum neuen Bau der Europäischen Zentralbank, der im Entstehen begriffen ist. Es ist wie ein Schloss, zu dem man nie hinüberkommt. Wir werden verwaltet, und schon vor 20 Jahren redigierte ich Berichte über lange Nachtsitzungen in Brüssel, und ich weiß nicht mehr, worum es da ging. Nicht resignieren, Max! Sieben Jahre hat das Obristen-Regime gedauert. 40 Jahre später protestierten die Griechen dann selber für ihre Freiheit von einem Diktat, diesmal dem Diktat Europas. Alle meinen, weitergekommen zu sein, und alle treten irgendwie auf der Stelle.  

Die Geschichte hat kein Ziel. Oder doch? Vielleicht sehen wir nicht weit genug. Mehr Menschen als je zuvor sind miteinander über die Welt hinweg in Kontakt, und wenn einmal das echte Gespräch das Handeln mit Waren abgelöst haben wird, sind wir ein Stück weitergekommen. Die Hardware ist nur die Voraussetzung. Dann muss sich der Geist ändern, und aller Rest ergibt sich wie von selbst.    

 

 

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