Vergebung

Da lag das Buch des Vergebens von Desmond Tutu und seiner Tochter Mpho, und Dora fragte: »Willst du’s?« Ich wollte es, nahm es mit, und ich hab’s bald danach rasch durchgearbeitet und in mich geblickt.

Desmond Tutu, 1931 geboren, war lange Bischof in Südafrika. 1984 erhielt er den Friedensnobelpreis. Zusammen mit Nelson Mandela, Frederik de Klerk und Thabo Mbeki konnte er dazu beitragen, dass nach den Jahren der Rassentrennung (Apartheid, von 1948 bis 1994) und der Gewalt ein neuer Anfang gelang.

Desmond Tutu leitete die Wahrheits- und Versöhnungskommission seines Landes, die nach dem Ende der Apartheid eingesetzt wurde und Ende 1998 ihren Abschlussbericht vorlegte. Opfer konfrontierten Täter; Ziel war Bewältigung des Geschehenen und Versöhnung, kombiniert mit einer Amnestie. (Ex-)Bischof Tutu setzt sich auch für homosexuelle Menschen ein und spendete 2016 seinen Segen, als seine Tochter Mpho – Priesterin und Mitautorin des 2014 erschienenen Buches – ihre Lebensgefährtin heiratete.

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Für die Vergebung schlagen die beiden einen Vierfachen Weg vor:

Die Geschichte erzählen;

die Verletzung beim Namen nennen;

vergeben (die Menschlichkeit des anderen anerkennen);

die Beziehung zum anderen erneuern oder beenden.

Es gebe nichts, was nicht vergeben werden könne, schreiben Desmond und Mpho Tutu. Jeder Mensch könne erlöst werden, und wir hätten immer die Wahl, dem Rachezyklus oder dem Zyklus der Vergebung zu folgen. Durch Rache sperrten wir uns gegen unseren Schmerz. Im Zyklus der Vergebung »stellen wir uns unserem Schmerz und unserem Leid. Wir folgen dem Vierfachen Pfad und gelangen so zu Akzeptanz und Heilung«.

stadtpfarrllSie erzählen schlimme Geschichten, etwa von Kia Scherr, deren Mann Alan und Tochter Naomi im November 2008 bei einem Terroranschlag in Mumbai in einem Restaurant erschossen wurden; von Lynn und Don Wagner, die bei einem Autounfall, verursacht durch eine betrunkene Fahrerin, ihre Töchter Mandie und Carrie verloren; von Kelly Connor, die mit 17 Jahren in Australien eine Frau totgefahren hatte.

Kia Scherr vergab dem Täter, Lynn und Don trafen Lisa, die Frau im anderen Wagen, als sie aus dem Gefängnis entlassen wurde und umarmten sie; später gingen Lynn und Lisa gemeinsam in Schulen, um ihre Geschichte zu erzählen. Kelly war von ihrer Mutter gedrängt worden, zu schweigen, und litt 30 Jahre lang unter dem Unglück. Die Familie der toten Margaret verzieh ihr. Kelly schrieb schließlich ein Buch (To Cause a Death) und hielt Vorträge darüber und schaffte es, auch sich selbst zu vergeben.

Wer selbst Vergebung nötig hat, folge auch dem Vierfachen Pfad: Das Fehlverhalten eingestehen; den Schmerz wirklich anschauen und sich entschuldigen; um Vergebung bitten; die Beziehung erneuern oder beenden. Selbstvergebung ist schwierig. Oft sind wir mit uns strenger als mit anderen.

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Doch ohne echte Vergebung ist kein Neuanfang nötig, meint auch Marianne Williamson in A Return to Love. Nur die Gegenwart zählt. Die Vergangenheit geben wir in die Hände des Heiligen Geistes, der unser Denken darüber verändern, uns zur Auferstehung und damit zu einem neuen Erwachen führen wird; Wunder gibt es nur in der Gegenwart. Sich zu vergeben ist ein Akt der Erlösung. Dann leuchtet die Zukunft wieder.

 

 

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