Polen verloren

Noch ist Polen nicht verloren, lautet eine Zeile der plnischen Nationalhymne. Doch die deutsche Armee überrannte das Land mit ihren Panzern und brauchte nur zwei Wochen, um den Widerstand zu zertrümmern. Der Staat brach zusammen und wurde am 6. Oktober zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion aufgeteilt.

Alle Versuche, eine Friedenskonferenz einzuberufen, waren gescheitert. Der Schwede Dahlerus kam nach Berlin, wurde zu Hitler und Göring vorgelassen, und da erklärte ihm der deutsche Diktator, er sei fest entschlossen, den polnischen Widerstand zu brechen und das polnische Volk zu vernichten. (Dieser Vernichtungswunsch brannte in ihm.) Dahlerus erinnerte sich, wie Hitler immer erregter wurde und schrie, er werde ein Jahr, zwei Jahre, zehn Jahre kämpfen, wenn England so lange kämpfen wolle. Das war am 1. September.

England legte ein Ultimatum vor, das besagte, dass, »falls nicht am heutigen Tage, dem 3. September, bis 11 Uhr vormittags britische Sommerzeit, eine befriedigende Zusicherung im obenerwähnten Sinne von der Deutschen Regierung erteilt wird und bei Seiner Majestät Regierung in London eintrifft, der Kriegszustand zwiscen den beiden Ländern ovn der genannten Stunde an bestehen wird.«

Das Reich lehnte ab, England und Frankreich erklärten den Krieg, ohne indessen viel für Polen zu tun. Mitte September waren 120.000 polnische Soldaten gefallen und 917.000 gefangen genommen worden; die Verluste der Deutschen betrugen nur 10.600.  Die Panzer fuhren, die Luftwaffe schoss, die berittenen Streitkräfte der Polen waren chancenlos. Das Land ging unter.

In dem Gedichtband Chausseen Chausseen hat Peter Huchel (1903-1981), der märkische Dichter, den es später in die südwestliche Stadt Staufen verschlug, beklemmende Szenen dargestellt.

Erwürgte Abendröte
Stürzender Zeit!
Chausseen. Chausseen.
Kreuzwege der Flucht.
(…)
Nächte mit Lungen voll Rauch,
Mit hartem Atem der Fliehenden,
Wenn Schüsse
Auf die Dämmerung schlugen.
(…)
Tote,
Über die Gleise geschleudert,
Den erstickten Schrei
Wie einen Stein am Gaumen. (…)

(Chausseen)

Hier war kein Gesetz. Denn wieder warf die Nacht
Aus kalten Himmeln feurige Schlacke.
Und Wind und Qualm. Und Dörfer wie Meiler angefacht.
Und Volk und Vieh auf enger Schneise.
Und morgens die Toten der Typhusbaracke,
Die ich begrub, von Grauen erfaßt −
Hier war kein Gesetz. Es schrieb das Leid
Mit aschiger Schrift: Wer kann bestehn?
Denn nahe war die Zeit.

(Bericht des Pfarrers vom Untergang seiner Gemeinde)

Zerschossene
Schläfe des Dorfs,
Noch immer umschwommen
Vom Lindenduft.

Die Dächer gerodet,
Das Kirchenschiff
Ein glosender Spalt.
Es rief aus dem Rauch:
Ein Engel naht
Und setzt seinen Fuß
Auf meine Wunde.

(Polybios, II)

Und Bertolt Brecht schrieb in Briefe über Gelesenes:

Hütet euch, ihr
Die ihr den Hitler besingt! Ich
Der die Züge des Mai und Oktober
Am Roten Platz gesehen habe und am Pazifischen Meer
Auf dem Roosevelt-Highway die donnernden
Ölzüge und Lastwägen, beladen mit
Fünf Autos übereinander, weiß
Dass er bald sterben wird und sterbend
Seinen Ruhm überlebt haben wird, aber
Selbst wenn er die Erde unbewohnbar
Machte, indem er sie
Eroberte, könnte kein Lied
Ihn besingend, bestehn. (…)

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