Woyzeck

Nachdem ich Lenz und Dantons Tod behandelt habe, kann ich nun über Woyzeck schreiben, das dritte Drama von Georg Büchner. (Sein viertes großes Werk, Leonce und Lena, ist ein Lustspiel.) Denn ich habe den Film von Werner Herzog (1979) mit Klaus Kinski in der Titelrolle und einer jungen Eva Mattes als Marie gesehen. Woyzeck erschien als Fragment im Jahr nach Büchners Tod, also 1837. Kinski ist Woyzeck, kein anderer kann es sein.

Ein Garnisionsstädtchen an einem See. Woyzeck ist Infanterist, steht demnach in der militärischen Rang- (und Hack-)Ordnung ganz unten, wird drangsaliert und schikaniert. Sein Hauptmann nennt ihn »verhetzt« (Kinski schwitzt immer), ein Doktor attestiert ihm eine »interessante mentale Aberration«: Woyzeck ist grüblerisch, sprunghaft, kindlich. Liebt Marie und hat mit ihr ein Kind — aber wenig Geld. Gibt sich zu medizinischen Experimenten her, weil das Geld nicht reicht. Ein Offizier interessiert sich für die attraktive Marie. Woyzeck geht mit ihr dann spazieren und ersticht sie, geht zum Tanz und ertränkt sich dann. Ende.

Im soeben erschienen (36.) Themenheft Macht der Kritischen Ausgabe (Bonn) schildert uns Olivetta Gentilin, dass Büchner stets reelle Quellen heranzog und diese zu Gedankenexperimenten umbaute. Literatur holt sich ihre Stoffe aus dem Leben und schafft damit etwas Neues. Der historische Woyzeck wurde übrigens für zurechnungsfähig erklärt, für schuldig befunden und zum Tod verurteilt. Büchners Figur fällt der Verrücktheit anheim oder ist verrückt … und Kinski war auch etwas verrückt und der Prototyp des überspannten egozentrischen Künstlers (oder spielte ihn; privat soll er sehr liebenswürdig gewesen sein; oder spielte er das auch?).

Werner Herzog hat mit Kinski fünf Filme gemacht und nannte ein Buch über ihrer beider Verhältnis Mein liebster Feind. Kinski, der gern Psychopathen spielte, gäbe viele Beiträge her. Er wurde um 1980 in den USA als bedeutender Schauspieler gewürdigt, als könne er in einer Reihe mit Robert de Niro und James Nicholson stehen. Kinskis Zornesausbrüche sind legendär, und er wollte immer seinen Willen durchsetzen als der Egomane, der er war. Dieser Selbstdarsteller, der mit Geld um sich warf, lebte je fünf Jahre in Wien und Paris, je zehn in Rom und bei Los Angeles, wo er 1991 mit 65 Jahren an einem Herzanfall starb. Klaus Kinski heiratete drei Mal, jeweils 20-jährige Mädchen, und er soll Übergriffe gegen seine Kinder zugegeben haben.

DSCN0419Legendär in der (deutschen) Filmgeschichte wurden die drei Herzog-Filme mit ihm, die in Südamerika spielen: Aguirre – der Zorn Gottes (1972), Fitzcarraldo (1982) und Cobra Verde (1987). Immer geht es um Abenteurer, die sich mit einem Projekt im Kopf durch den Dschungel schlagen. Fitzgerald etwa (auch Fitzcarraldo genannt) will ein Opernhaus am Amazonas erbauen. Die Abenteuer der Filmcrew müssen die Teilnehmer an Survival-Camps erblassen lassen. Leider gab es auch viele Unfälle, wobei auch Menschen starben. Werner Herzog ließ Ureinwohner zu Hunderten mitspielen und improvisierte, wenn er nicht Kinski bei Laune halten musste. Für denkwürdig halte ich die Aussage des Regisseurs zu dem Film Fitzcarraldo, die unvergessliche Szene, wie ein Schiff über einen Bergrücken geschleppt wurde, sei eine Metapher — er wisse nur nicht, für was. (Das stand bei Wikipedia, das ja von vielen kritisiert wird; aber ich sehe keine Veranlassung, alles anzuzweifeln. Die Protagonisten würden bei groben Verzerrungen bestimmt einschreiten.)

 

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