Georg Heym

Aus einem Regal einen dünnen Band über Lyrik des Expressionismus gefischt. Ein Liebesgedicht darin fand ich bemerkenswert. Sein Autor, Georg Heym, wurde nur 25 Jahre alt. Er wurde 1887 in Hirschberg (Jelenia Góra) geboren, studierte, schrieb 500 Gedichte und 7 Novellen, wollte zum Militär, wurde angenommen, starb aber nicht im Ersten Weltkrieg, sondern ertrank schon lang davor, am 16. Januar 1912 beim Eislaufen in Berlin. Er gilt als einer der wichtigsten deutschen Lyriker des Expressionismus. 

Deine Wimpern, die langen …

Deine Wimpern, die langen,
Dieser Augen dunkele Wasser,
Lass mich tauchen darein,
Lass mich zur Tiefe gehn.

Steigt der Bergmann zum Schacht
Und schwankt seine trübe Lampe
Über der Erze Tor,
Hoch an der Schattenwand.

Sieh, ich steige hinab,
In deinem Schoß zu vergessen,
Fern, was von oben dröhnt,
Helle und Qual und Tag.

An den Feldern verwächst,
Wo der Wind steht, trunken vom Korn,
Hoher Dorn, hoch und krank
Gegen das Himmelsblau.

Gib mir die Hand,
Wir wollen einander verwachsen,
Einem Wind Beute,
Einsamer Vogel Flug. 

Hören im Sommer
Die Orgel der matten Gewitter,
Baden in Herbsteslicht,
Am Ufer des blauen Tags.

Zweieinhalb Jahre bevor der Weltenbrand ausbrach, legte Heym los und malte die Zukunft. Was für eine Sprachgewalt!

Der Krieg

Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,
Aufgestanden aus Gewölben tief,
In der Dämmrung steht er, groß und unerkannt,
Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.

In den Abendlärm der Städte fällt es weit,
Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit.
Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis.
Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß.

In den Gassen fasst es ihre Schulter leicht.
Eine Frage. Keine Antwort. Ein Gesicht erbleicht.
In der Ferne wimmert ein Geläute dünn
Und die Bärte zittern um ihr spitzes Kinn.

Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an.
Und er schreit: Ihr Krieger, alle, auf und an.
Und es schallet, wenn das schwarze Haupt er schwenkt.
Drum von tausend Schädeln laute Kette hängt.

Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut,
Wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut.
Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt,
Von des Todes starken Vögeln weiß bedeckt.

Über runder Mauern blauem Flammenschwall
Steht er, über schwarzer Gassen Waffenschall.
Über Toren, wo die Wächter liegen quer,
Über Brücken, die von Bergen Toter schwer.

In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein
Einen roten Hund mit wilder Mäuler Schrein.
Aus dem Dunkel springt der Nächte schwarze Welt,
Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt.

Und mit tausend Zipfelmützen weit
Sind die finstren Ebenen flackend überstreut,
Und was unten auf den Straßen wimmelt hin und her,
Fegt er in die Feuerhaufen, dass die Flamme brenne mehr.

Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald,
Gelbe Fledermäuse zackig in das Laub gekrallt.
Seine Stange haut er wie ein Köhlerknecht
In die Bäume, dass das Feuer brenne recht. 

Eine große Stadt versank in gelbem Rauch,
Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.
Aber riesig über glühnden Trümmern steht
Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht.

Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein,
In des toten Dunkelns kalte Wüstenein,
Dass er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,
Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.

 

 

 

 

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