Leere Mitte

Die Umgehungsstraße um Staufen herum wird gerade gebaut, der Kreisel im Süden ist schon fertig, in der Mitte sieht man breit und platt eine Aufschüttung wie ein Hügelgrab, und dahinter zittert wie eine Fata morgana etwas von Staufen, und der Schlossberg ist richtig klein. Der Kreisel ist viel größer, als er sein müsste, die Straßen sind heute riesenhaft, aber der Autos sind viele, und groß sind sie, und helft der armen Automobilindustrie!

DSCN3384Sündige Menschen halten es für ganz okay, in blütenweißen Limousinen umherzugondeln, und sie umkreisen im Kreisverkehr mal wieder eine leere Mitte, die sich wie ein Symbol für die Konsumgesellschaft ausnimmt: Mitten drin ist es leer. Doch oft, sah ich heute, bepflanzt man die zu umkreisende Mitte so hoch, dass man ein Hügelein zu umkresen hat; die leere Mitte wölbt sich hoch und zerstört jegliche Orientierung. Manchmal auch setzt man ein Stadtwappen drauf oder eine misslungene Skulptur. 1944 hat Theodor W. Adorno über amerikanische Straßen geschrieben:

Diese sind allemal unvermittelt in die Landschaft gesprengt, und je glatter und breiter sie gelungen sind, um so beziehungsloser und gewalttätiger steht ihre schimmernde Bahn gegen die allzu wild verwachsene Umgebung.

Basile23Nein, eine wild verwachsene Umgebung haben wir nicht, aber glatt und breit baut man sie auch, die Straßen, die triumphierend kleine Gemeinden neben sich lassen, sie verächtlich streifen und ihnen zeigen, dass man nur am Fortkommen interessiert ist und nicht an der Geschichte und dem Landschaftsbild. Die Bürger in ihrem Anspruchsdenken meinen, dass sie ein Recht auf Ruhe hätten; das Straßendorf Zienken mit seinen knapp 1000 Einwohnern verlangt auf Transparenten die seit 40 Jahren versprochene Umgehungsstraße. Eine andere Bürgerinitiative verlangt seit Jahren auf Transparenten den unterirdischen Verlauf der Rheintal-Bahnstrecke und hält es für ganz okay, dass für die Ruhe von ein paar tausend Leuten ein paar Milliarden aufgewendet werden.

Um sich ihre Ruhe zu holen, kämpfen sie wie die Löwen. Auch die Freiheit, die das Automobil schenkt, ist Illusion. Du wirst getrieben, kannst nicht einfach anhalten, und in der Mitte ein betäubter Wille und hinter tausend Straßen keine echte Welt (Rilkes Panther), und gäbe es sie, hätten die Insassen für sie keinen Blick. Adorno:

Denn was das eilende Auge bloß im Auto gesehen hat, kann es nicht behalten, und es versinkt so spurlos, wie ihm selbst die Spuren abgehen.  

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