Dieter Hildebrandt
An den letzten Satz des gestrigen Beitrags anschließend: Dieter Hildebrandt, der beliebteste deutsche Kabarettist und Satiriker der Nachkriegszeit, gab 2009 bekannt, er sei Alkoholiker. Vier Jahre später ist er gestorben, im November 2013, 86 Jahre alt. Auch Graham Greene, der gern trank und in dessen Büchern ständig getrunken wurde, schaffte den 86. Geburtstag. Karl Valentin allerdings meinte: Mit Mineralwasser und Kamillentee wären sie 87 geworden.
Mir fiel das Buch Nie wieder achtzig! von Dieter Hildebrandt in die Hände, das 2007 herauskam. Da geht es ums Alter und bayerische Politiker und vieles mehr. Der Autor kam 1927 in Bunzlau in Niederschlesien zur Welt, brachte die Münchner Lach- und Schießgesellschaft (1956-1972) zur Blüte, hatte dann bis 1979 die Satiresendung Notizen aus der Provinz im ZDF und von 1980 bis 2003 den Scheibenwischer in der ARD. Wie wir uns immer auf diese Sendungen gefreut haben! Danach hielt er bis zu seinem Tod unermüdlich Lesungen im Land ab und hatte meist jeden zweiten Tag einen Termin. Phänomenal! Wenn Hildebrandt dann an die Rampe trat und anfing zu sprechen, wurde es spannend: Seine Monologe mit diesen abgebrochenen Sätzen, Gedankensprüngen und kühnen Anspielungen waren legendär.
Leider waren die Politiker, mit denen er sich auseinandersetzte, ihm nicht kongenial. Die meisten Namen kennt man kaum mehr: zu Recht, meist waren es Emporkömmlinge mit wenig Intelligenz, aber einen brauchte es, der die Dummheit geißelte. An Kohl rieb er sich gern, an den CSU-Granden auch, denn Satiriker sind meist Idealisten und gute Menschen und links. Das gehört sich so.
Man lernt auch, dass manche Missstände immer hervorgehoben werden und sich dann doch nichts ändert: der sogenannte Pflegenotstand zum Beispiel. Andere Missstände vor allem im Finanzwesen sind derart gut getarnt, dass man viel darüber wissen und viel Recherche betreiben müsste. Nichts für den Kabarettisten!
Sieben Jahre sind vergangen, seit Dieter Hildebrandt von uns gegangen ist. Die Durchsetzung der deutschen Sprache mit englischen Brocken hat er noch mitbekommen (hier, Plakat: Staufen ist ein kultureller Hotspot), das Handy auch, doch die immer weiter fortschreitende Verdummung, die Banalisierung von allem, den Kontrollwahn der Verwalter und die Übermacht der US-Konzerne betrachtet er nun aus wohltuender Distanz. Auch die Fußball- und die Krimiwelle interessiert ihn nicht mehr, und gewiss hat er dazu auch etwas gesagt (das gab es 2012 ja schon).
Dieter Hildebrandt mit seiner funkelnden Intelligenz und seiner scharfen Zunge, inkorruptibel und irrlichternd, fehlt uns. Er gehört schon einer vergangenen Epoche an.