Der Partisan Johnny

Der Partisan Johnny ist ein großartiger, 1968 erschienener Roman von Beppe (Giuseppe) Fenoglio, der an einem 1. März (1922) geboren wurde, was schon auf diesen Tag vorausweist, an dem ich über den Liedermacher Lucio Dalla schreiben werde. Anlass zu diesem Beitrag ist »Beppes« Tod heute vor 50 Jahren.

Il Partigiano Johnny kam fünf Jahre nach seinem Tod heraus, 1968. Er spielt in den letzten beiden Kriegsjahren in den Bergen des Piemont unter den Partisanen. Es ist ein gnadenlos sachlicher, harter Roman von epischer Breite, und am Ende, als Johnny tagelang in einer wahren Schneewüste umherirrt, ausgefroren und heimatlos, dehnte sich für mich, den Leser, die Zeit: Es wollte kein Ende nehmen; ich verlor mich auf den öden Hügeln und in den Senken, wo überall ein Hinterhalt drohte. 

 

Geboren wurde Beppe Fenoglio in Alba (Piemont), und das ist auch die Gegend des Lyrikers Cesare Pavese (1908-1950). Fenoglio verbrachte sein Leben dort, kämpfte zwei Jahre bei den Partisanen, arbeitete nach dem Krieg als Fremdsprachenkorrespondent bei einer Firma, die Wermut und Spumante herstellte und vertrieb, heiratete, hatte eine Tochter, wurde lungenkrank und starb schon mit 41 Jahren. 

Der Partisan Johnny ist nicht nur ein schonungsloses Buch über den Krieg, sondern auch ein Werk über den Menschen in der Wüste, die diese Welt ist. In den 1960-er Jahren hätte man das Buch existentialistisch genannt, aber der Krieg entzieht sich solchen Klassifizierungen, wenn man ihn schildert, wie er ist.  

Interessant, dass Italiener oft diesen Realismus in der Kunst an den Tag legten, die Welt im klaren Licht der Erscheinungen zeigen. Damals, nach dem Krieg, gab es den »Neorealismo« im Kino mit den strengen Filmen Michelangelo Antonionis (1912-2007), und ein weiterer Autor, der fast plakativ realistisch schrieb, war Curzio Malaparte (1898-1957), von dem man Blut, Kaputt oder Die Haut lesen sollte. Morgen sage ich etwas zur deutschen Literatur, die einfach zu tiefsinnig ist und zu einem echten Realismus nie in der Lage war, wenn man von Gert Ledig absieht.  

Neu und attaktiv am Partisanen-Roman war die Sprache Beppe Fenoglios. Er schuf Neologismen (neue Wörter), die er aus dem Englischen ableitete, und überhaupt spickte er seine Prosa mit englischen Brocken. Das ist nicht übertrieben auffallend, und gewiss werden die englischen Wörter nicht ein Promille des Textes ausmachen. Aber es gibt dem Buch eine exotische Qualität.  

Der Literaturwissenschaftler Dante Isella (schöner Name!), im selben Jahr geboren wie Fenoglio (aber doppelt so alt geworden, 2007 gestorben) förderte den Autor und hat in meiner Einaudi-Ausgabe einen 30-seitigen Aufsatz, »Die Sprache des Partisanen Johnny«, und da listet er mit der Präzision des Philologen über Seiten hinweg die Ausdrücke Fenoglios auf.

Johnny und der Spion 

Wie ein Roman ist, erfährt man am besten, wenn man ihn liest. Da gibt es gegen Schluss, im Kapitel Inverno 7 (Winter 7) eine Stelle, in der Johnny sich einem Verräter gegenübersieht. Ich übersetze sie in Auszügen. Da kommt ein Fahrrad vor, darum. 

»Dann tauchte der Mann auf dem Hügel auf und hielt an, ruhte sich aus, einen Ellebogen auf den Sattel gestützt. Der metallene Gepäckträger, ganz neu, auf der Lenkstange, bewegte sich im dünnen Sonnenlicht.«  

Johnny nähert sich und zieht die Pistole. Er zielt auf die Brust des anderen. Lächeln solle er, sagt Johnny, einfach lächeln. Er senkt die Waffe. Sie reden. Er sei ein Händler, sagt der Mann. Hasen- und Eichhörnchenfelle. Er wolle sie ihm zeigen; aber eine Blick  Johnnys bremst ihn. Sie reden über die Kaserne. Welche Kaserne, fragt der Mann. – Die Kaserne, aus der du kommst, sagt Johnny. – Ich komme aus keiner Kaserne.  

»›Du weißt, dass du nicht mehr in deine Kaserne zurückkommst.‹ Und mit der Linken hob er die Pistole, aber mit einer lässigen und fast ungelenken Bewegung. Und der Mann zwinkerte in den glitzernden Mund der Waffe und kalkulierte die Entfernung, 15 Schritt vielleicht. ›Kalkuliere, kalkuliere und entscheide dich‹, beschwor Johnny ihn innerlich, dann sagte er laut: ›Du bist ein Spion. Bete, wenn du meinst -‹ Die Hand des Mannes bohrte sich in sein Gepäck, Haut wehte hoch, Johnny berührte die Sten Gun unter seinem Mantel und hörte ihr langes trockenes, getreues Prasseln. Der Mann krümmte sich über seinem Fahrrad, das Magazin war schon leergeschossen, dann sackte er zu Boden, an sein Fahrrad geklammert, und im Todeskampf gab er dem Rad noch einige Fußtritte.  

Das Echo der Salve galoppierte noch in der Tiefe des Belbo-Tals dahin. Johnny lief zu dem Haufen, zog den Mann von seinem Gefährt weg und schob ihn frenetisch über einen Abhang in Richtung Wald. Der Körper rollte leicht über den festgefrorenen Schnee, überschlug sich und verschwand in einer Senke.   

Johnny ging zum Fahrrad zurück und vergrub die Hände in das Gepäck des Mannes und zog eine P 38 hervor, dazu drei gefüllte, gut geölte Magazine. (…) Er hatte noch nie einen Menschen auf diese Weise getötet, und nun musste er ihn begraben, und auch das hatte er noch nie getan.«

 

  

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.