Wie kommen wir zu Erkenntnis (DAT)? Wie werden wir erleuchtet? Erkenntnis ist nicht einfach Wissen; durch die Erkenntnis wird einem das Wissen aufgetan — und die Augen: »Da gingen ihnen die Augen auf.« Über die Erleuchtung haben viele Menschen Jahrtausdende nachgedacht. Ohne Erleuchtung und Erkenntnis leben wir im Finstern, bleiben wir spirituell blind. 

Saulus wütete gegen die Jünger des Herrn.

Unterwegs aber, als er sich bereits Damaskus näherte, geschah es, dass ihn plötzlich ein Licht vom Himmel umstrahlte. Er stürzte zu Boden und hörte, wie eine Stimme zu ihm sagte: Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Er antwortete: Wer bist du, Herr? Dieser sagte: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf und geh in die Stadt; dort wird dir gesagt werden, was du tun sollst. Seine Begleiter standen sprachlos da, sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemand. Saulus erhob sich vom Boden. Als er aber die Augen öffnete, sah er nichts. Sie nahmen ihn bei der Hand und führten ihn nach Damaskus hinein. Und er war drei Tage blind, und er aß nichts und trank nichts. (Apostelgeschichte 9,3-9)

Damit wurde er Paulus — und wütete, wie er vorher gegen die Christen gewütet hatte, gegen die Ungläubigen. Er blickte den Zauberer Elyman an —  »vom Heiligen Geist erfüllt«, heißt es an der Stelle — und beschimpft ihn übel: Er werde eine Zeitlang die Sonne nicht mehr sehen. Und Elyman war augenblicklich blind, und der Prokonsul wurde gläubig, als er all dies sah (Apg 13,9-12).Die spirituelle Blinden erleben kurzzeitig Blindheit, den anderen werden die Augen aufgetan; das ist so schön bildlich. (Bild rechts: Paulus, der grimmige Streiter, vor der Basilika San Paolo fuori le Mura, Rom)

Erleuchtung heißt ja auch ein Offenwerden, ein Wahrnehmen anderer Dimensionen. Was bei den Franzosen Zeitalter der Erleuchtung heißt, ist bei uns die Aufklärung. Sie sollte uns aus dem dunklen Mittelalter befreien, wie war das: die »Befreiung aus selbstverschuldeter Unmündigkeit« (Kant). Leider haben viele Ideologien etwas wie Erleuchtung versprochen, die dann doch wieder nur eine neue Verblendung wurde.

»Sie erkannten einander«, heißt es in biblischen Texten, und sie bezeichnen den sexuellen Akt, der Menschen einander aufschließt, einander näherbringt wie nichts sonst. Menschen, die Erleuchtung suchten, haben Jahrzehnte in einsamen Gegenden verbracht, in der Betrachtung versunken, und manche Heilige sind vom Glück der Vereinigung mit der heiligen Energie beschenkt worden. Die heilige Teresa beschrieb ja die Begegnung mit dem Engel, der mit einem Schwert in sie eindrang, als Erlebnis der Verzückung und Verklärung. Gian Lorenzo Bernini hat das als Plastik dargestellt, zu sehen in der Kirche Santa Maria Vittoria in Rom.

Wir würden uns ja mit weniger begnügen. Es wäre schön, wenn einige Menschen aufwachten — ja, das Erwachen war auch immer ein Bild für die Erleuchtung — und ihre alten Gewohnheiten abstreiften, um liebevoll zu werden und barmherzig. In unseren Zeiten haben wir als Erweckungserlebnis die Nahtod-Erfahrung (oder Todeserfahrung), die womöglich Hunderttausende Menschen hinter sich haben. Das sind mittlerweile auch klassische Texte, die einem Muster folgen: Weil das eben so ist, und nicht, weil die Zeugen irgendetwas nachbeten. Der Experte Kenneth Ring hat einmal in einem Buch (ich glaube, das Omega-Projekt) geargwöhnt, die NDEs könnten eine Strategie der anderen Welt sein, um uns ins Nachdenken zu bringen.

Es muss einfacher gehen, als sich in Todesgefahr zu begeben. Für eine Umstrukturierung muss erst einmal ein Bruch eintreten, eine Art Bardo-Erfahrung. Wir müssen aus dem alten Trott gestoßen werden, und das passiert oft durch eine Reise, einen Urlaub, eine Krankheit oder die Kündigung. Damit etwas neu wird, muss das Alte verblassen. In den leeren Raum, der so entsteht, können neue Gedanken eintreten, aber das geschieht nicht automatisch; wir müssen bereit dazu sein, und vielleicht bekommen wir wirklich Hilfe aus der anderen Welt.

Der Hypnotherapeut Milton Erickson hat seine Patienten immer verwirrt und ihnen dann Suggestionen eingegeben. Wer verwirrt ist, sucht eine neue Orientierung. Wir alle hängen ja irgendwie fest in unseren Vorannahmen und Überzeugungen; sie sind wie Mauern, gegen die nichts Neues ankommt. Diese Mauern müssen fallen, dann kann das Licht sich über alles ergießen und Erkenntnis sich verbreiten.

Ich bin sicher, dass ich nicht nur aus meinen Quellen und meinem Wissen schöpfe, dass unerwartete Einfälle mir von anderer Seite »in die Tastatur« fließen. Ich werde inspiriert (spirito — der Geist). Wir alle bekommen Inspiration.

Dieser Eintrag wurde am Dienstag, den 8. Februar 2022 um 00:22 Uhr erstellt und ist in der Kategorie Mystik zu finden. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.