Geschichten von Rumi

Der persische Sufi-Mystiker Rumi (1207-1273) hat mit seinem Matnawi der Menschheit ein großes Geschenk gemacht. Für ihn steht jedes Partikel des Universums mit allen anderen in einer Liebesbeziehung, und alle Liebe richtet sich zudem auf Gott. Wir müssen mal wieder einiges aus dem Matnawi zitieren.

Drei Auszüge:

1.

arabienZu Omar in Medina kam durch die weite Wüste ein Botschafter des Kaisers von Rûm.
Er sagte: »O ihr Gefolgsleute, wo ist der Palast des Kalifen, damit ich mein Pferd und Gepäck dorthin bringen kann?«
Die Leute antworteten: »Er hat keinen Palast. Omars Palast ist ein erleuchteter Geist.
Obwohl er als Befehlshaber der Gläubigen berühmt ist, besitzt er nur eine Hütte wie die Armen.
O mein Bruder, wie willst du seinen Palast betrachten, wenn Haare über das Auge deines Herzens gewachsen sind?
Reinige das Auge deines Herzens von Haaren und Unreinheit und hoffe dann darauf, seinen Palast zu erblicken.
Wer eine von den Begierden gereinigte Seele hat, erblickt bald die göttliche Majestät und den göttlichen Palast.
Als Mohammed von Feuer und Rauch der Begierden erlöst war, sah er Gottes Angesicht, wo immer er hinblickte. (…)
Gott ist unter dem Anderen deutlich sichtbar wie der Mond unter den Sternen.«

2

Alle Könige sind die Sklaven ihrer Sklaven, alle Leute sterben für jemanden, der für sie stirbt.
Alle Könige werfen sich vor dem nieder, der sich vor ihnen niederwirft, alle Leute sind verliebt in jemanden, der in sie verliebt ist.
Der Vogelfänger wird zur Beute der Vögel, bis sie zu seiner werden.
Die Herzen der Herzensräuber sind die Gefangenen derer, denen sie die Herzen geraubt haben, alle Geliebten sind die Beute ihrer Liebenden.
Wen du als Liebenden ansiehst, den betrachte als Geliebten, denn er ist gleichzeitig das eine wie das andere.
Wenn die Durstigen Wasser in dieser Welt suchen, so sucht auch das Wasser in dieser Welt die Durstigen.
Weil Er dich liebt, sei still; da Er dich am Ohr zieht, sei ganz Ohr.
Mexico 148Dämme den Strom, wenn er in Fluten strömt; sonst bringt er Unheil und Vernichtung hervor.
Was kümmert mich Vernichtung? Unter der Ruine liegt ein königlicher Schatz.
Wer in Gott versunken ist, möchte noch tiefer sinken, sein Geist wird aufgewühlt wie die Wellen des Meeres-
Und fragt: »Ist der Grund des Meeres schöner oder die Oberfläche? Entzückt Sein Pfeil mehr oder Sein Schild?«
O Herz, die Versuchung zerreißt dich, wenn du einen Unterschied zwischen Freud und Leid anerkennst.

3.

Ein gewisser Philologe stieg in ein Boot ein. Dieser eingebildete Mensch wandte sich an den Bootsmann.
Er sagte: »Hast du je Grammatik studiert?« »Nein«, antwortete er. Der andere sagte: »Dein halbes Leben ist vertan.«
Dem Bootsmann brach es vor Kummer das Herz, doch zu dem Zeitpunkt gab er keine Antwort.
Der Wind warf das Boot in einen Strudel. Der Bootsmann sagte laut zu dem Philologen:
»Sag mir, kannst du schwimmen?« »Nein«, sagte er. »O du Schönredner mit dem feinen Gesicht!«
»O Philologe«, sagte er, »dein ganzes Leben ist vertan, dennn das Boot sinkt in diesen Strudeln.«
(…)
DSCN0680Wenn du auch der gebildetste Gelehrte bis, dann sieh die Vergänglichkeit dieser Welt und dieser Zeit!
Wir haben über den Philologen gestichelt, um dich die Grammatik der Selbstauflösung lehren zu können.
In der Selbstaufgabe, o verehrter Freund, wirst du die Jurisprudenz der Jurisprudenz finden, die Grammatik der Grammatik, das Akzidens der Akzidens.

 

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Flugverkehr (118): Mit gefalteten FlügelnDie Milchstraße entlang.

 

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