Blaue Gräber

Totenmonat November. Wir sollten kurz den Friedhof als Institution behandeln und dabei auch über Europa hinausschauen. Neuere Entwicklungen sind der Friedwald und die bloße Urne, wir aber bleiben beim altgewohnten Friedhof. Denn ich las eine Stelle, die mich berührte, und die zitiere ich gleich.

Die Stelle stand in dem Aufsatz Gilgul und Dybbuk von Daniela Hanin-Balilli.

Image0078Die Stadt Safed (hebr. צפת) liegt im Norden Galiläas und gilt neben Jerusalem, Tiberias und Hebron als heilige jüdische Stadt. Sie wird auch »die Stadt der Toten« genannt, liegen doch 20.000 dort begraben, manche nur einen Steinwurf von Wohnhäusern entfernt-Safed lebt mit seinen Toten. Viele kamen zu Lebzeiten aus dem Exil dorthin, um dort zu sterben und begraben zu werden. Der Grund dafür liegt unter anderem darin, dass die geographische Lage Safeds als höchster Ort Israels und die damit verbundene Luftzirkulation laut Kabbalisten wie ein Wind wirkt, der die Toten durch eine okkulte Passage direkt zum Grab der Patriarchen weht, welches als Eingang zum Garten Eden gilt.

Image0080Image0083Safed, gelegen im Norden Israels und heute von 35.000 Menschen bewohnt, wurde im 16. Jahrhundert zum Zentrum der Kabbala. Auf einem Friedhof ist der »Ari« begraben, Itzchak Luria, der der Kabbala ein neues Gewand gab, sowie Rabbi Joseph Karo. Hunderttausende reisen jedes Jahr nach Safed, um die Gräber dieser berühmten Gelehrten anzuschauen. In der Nähe des Luria-Grabs gibt es auch ein Bücherregal, ganz in Blau, wie wunderbar! (Die Bilder stammen von Miriam Woelke, die in Jerusalem lebt. Schaut mal auf ihren Blog!) Das erinnert mich an ein blaues Grab, das ich einmal in der chilenischen Wüste sah:

cimiterochileWir wollten ja etwas zum Friedhof sagen. Im Judentum und im Islam werden die Toten gleich am ersten Tag nach dem Ableben bestattet, und dort bleiben sie. Keine Grabstätte wird je aufgelöst. In Indien überwiegt die Feuerbestattung, der Hindu kümmert sich nach dem Tod nicht mehr groß um den Körper. Trotzdem gibt es Fredhöfe, manche noch aus der britischen Besatzungszeit, und TripAdvisor stellt die 54 schönsten Friedhöfe Indiens (!) vor.

Unsere Pflege der Grabstätten richtet sich ja auch mehr auf diejenigen, die mit und neben uns leben; man will nicht mit einem verwilderten Grab als achtloser, schlampiger Mensch dastehen.

Noch ein Bild: ein sehr gepflegter Friedhof (auch mit blauen Elementen) auf Santorini.

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Zum westlichen Friedhof erzählt uns zusammenfassend Philippe Ariès (1914-1984) etwas, in seinem Buch Geschichte des Todes. In der Antike hatten die Friedhöfe große Bedeutung.

Diese Bedeutung wurde geringer und verschwand, wie wir bereits gesehen haben, im Mittelalter, als die Gräber sich an die Kirchen anschmiegten oder sich im Kircheninneren zusammendrängten. In der städtischen Topographie ist der Friedhof nicht mehr erkennbar oder hat keine unverwechselbare Identität mehr; er verschmilzt mit den Nebengebäuden der Kirche oder den öffentlichen Plätzen. … die Zeichen des Todes sind nicht mehr offenkundig und äußerer Art, trotz der Häufung von Seuchensterblichkeit und der Präsenz der Toten. Sie treten nur noch im Staub oder Schlamm zutage. Sie haben sich verborgen. … Die Kultur der Zeit vom Mittelelter bis zur Moderne, wenigstens aber bis zum 17. Jahrhundert, hat den Toten weder viel Raum noch viel Grabschmuck gegönnt. Sie ist keine Friedhofskultur.

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