Die zehn Phasen der vollständigen Germanisierung

Babbel heißt ein Magazin, das humorvoll den Weg zu anderen Völkern ebnet und Online-Sprachkurse anbietet. Auf La Repubblica fand ich ihre Anzeige. Deutsch kann ich ja, aber die zehn Phasen der vollständigen Germanisierung haben mich interessiert. Wie sieht man uns woanders?

Wie werde ich zu einem guten Deutschen? Das ist die Ausgangsfrage. Der Autor des Spaßes heißt Adam Fletcher. Wir genießen das nur, wir wollen ja lieber nicht deutsch sein. Dennoch: Punkt eins der Germanisierung (alles in einer gerafften Übersetzung):

Zieh dir Hausschuhe an. Die Deutschen lieben ihre Hausschuhe, tu das auch. Genial sind große Einsteckpantoffeln, die am Eingang hängen, und in die man mit den Schuhen (oder anderen Pantoffeln) schlüpft. (Nie gesehen, nur in Museen.)

Kleide dich möglichst anonym. Normcore ist das Zauberwort. Gefragt ist es, sich durchschnittlich zu kleiden, praktisch, normal, und dabei die Normalität zum Äußersten zu treiben. So kannst du nie unmodisch sein, weil du nie versucht hast, modisch zu sein. Die Mode sollst du wie ein Schulfest behandeln, zu dem du nicht eingeladen bist: du willst dich nicht danach drängen, eingeladen zu werden, aber auch nicht zeigen, dass du dich ärgerst.

Punkt drei: Respektiere das Ampelmännchen, auch wenn die Straße leer ist.

Vier: Respektiere und liebe die Natur. Sie tut deiner Seele gut. Wandere am Sonntag und kaufe alles, worauf bio steht. Besser, weil bio, sei dein neues Motto. Scheiß Plastik! Kauf deinem Kind etwas aus Holz, das vage einem Kaninchen ähnelt, damit es lernt, Holzspielzeug zu lieben und seine Fantaise spielen zu lassen.

Sammle Qualifikationen an! Andere Völker prämieren den Einsatz, unabhängig vom Resultat. Bravo, mach’s noch mal! Bei den Deutschen ist das nicht so. Sie schätzen einen praktischen Sinn und die Spezialisierung. Wenn du etwas nicht studiert hast, dann hast du nicht die erforderlichen Qualifikationen und auch nicht das Recht, einzugreifen. Die Unklaren und die Spontanen behandle mit Vorsicht.

Die Deutschen lieben alles, was sprudelt und schütten überall Sprudelwasser hinzu. Du bist schon weit auf deinem Weg zur Germanisierung, wenn du im Restaurant, bevor du die Karte studierst, mit lauter Stimme ein großes Apfelsaftschorle orderst.

Dass die Deutschen wenig Fantasie haben, stimmt nicht. Ihre Fantasie ist jedoch auf wenige Einsatzgebiete beschränkt, etwa auf die Berufskleidung, die Bürokratie, lange zusammengesetzte Wortungetüme und zahlreiche Kartoffel-Rezepte. Im Zweifel: Kartoffeln, die man auf jede erdenkliche Art zubereiten kann (es folgt eine Liste von 19 Kartoffel-Gerichten).

Lektion zwei der deutschen Kochschule: Wurst und Brot. Wurst auf Brot. Wurst im Brot. Mehr Geheimnisse gibt es nicht bei der deutschen Küche.

Lektion neun: Bloß nicht redselig werden. Verlier dich nicht im Geschwätz. Das ist was für Quatschköpfe. Wenn dich jemand fragt, wie es dir geht, sei ehrlich … oder bediene dich eines der sechs beliebtesten deutschen Kurzformeln: gut, na ja, ach so, alles klar, und sonst so, tja. Tja ist gut am Ende eines Satzes und drückt die Vergeblichkeit jeder Konversation und des Lebens aus.

Lektion zehn: Sei exakt. Es ist wichtig, jeden kleinen Fehler eines anderen zu berichtigen. Wenn sich jemand irrt und die Fakten klar sind, sag ihm das deutlich, und mehr gibt’s nicht zu wissen. Solche Leute heißen im Deutschen Klugscheißer, und da sie gerne Anekdoten haben, sind sie auch Weltmeister im Klugscheiß.

So, jetzt haben wir unser Fett abbekommen. Etwas platt ist das schon, aber es könnte schlimmer sein. Danke, Adam!

 

Ein Kommentar zu “Die zehn Phasen der vollständigen Germanisierung”

  1. Renate Frank

    Bin gestern in der Hamburger Hafencity, wo die Ampelphasen unendlich sind, wie zwei andere auch bei Rot über die Straße gegangen. Auf der gegenüberliegenden Seite – klar – Vater mit KInd. Kind: „Papa, die sind bei Rot rüber!“ Ich habe mich verantwortlich gefühlt und laut trompetet: „Wir schämen uns total!“ Alle haben gelacht, der Vater am meisten… Ganz schön undeutsch was :)