Unsere kleine Stadt
Sonntagabend bekamen wir wieder unseren alten Ludwigshafen-Tatort ― in fahlen Farben und mit verwischten Konturen, von Regisseur Roland Suso Richter mit melancholisch-tragischem Ton grundiert. Kopper verhalf zur italianità (»Maria, certo ti amo«), Frau Odenthal rannte viel, alles war fast wie früher. Wunderbar!
So mag ich das auch: leise tröpfelnde Musik beim Blick auf die Häuser Ludwigshafens von oben, Steinlandschaften, Discos, Intensivstationen und vor allem das kahle Grün, das kalte Blau, das viele Schwarz. Die Ballerina und der Rapper, die bösen Amphetaminschlucker, Liebe und Verzweiflung, das war eng gestrickt. Die Auseinandersetzungen zwischen der angeblich unmenschlichen Profilerin und der menschlichen Kommissarin sind mittlerweile ein Strang in der Geschichte, dem wir nicht entkommen.
Ein wenig kann einen Misstrauen erfassen, denn das melancholische Ludwigshafen ist natürlich ebenso eine Attitüde wie das protzige Bozen (davon später) und das g’mütliche München. Und der Krimi hängt ausgespannt zwischen seinen Regeln, was den Genuss trübt. Der Tatort Du gehörst mir litt wie andere unter einer kargen Geschichte.
Das wäre nicht weiter schlimm, wäre ein klassischer Krimi nicht immer noch ein Whodunit. Ein Täter wird gesucht. Und damit diese Suche spannend wird, ist eine gewisse Komplexität der Geschichte vonnöten. Obendrein: Die Figur, auf die um 21 Uhr der Verdacht fällt, kann es nicht sein; es ist die Figur, die gegen 21.25 Uhr ins Fadenkreuz gerät. Leider blieb keine brauchbarer Gestalt übrig, die zum Täter getaugt hätte. Nicht gerade glaubwürdig, dass dieses junge Mädchen mit diesem Gesicht zu solchen Taten fähig ist. Der Film war halt atmosphärisch stark.
Könnte sich der Krimi von seinen Mustern emanzipieren, wäre einiges gewonnen. Doch das hieße, das Format zu ändern. Will man nicht. Es könnte ja die ganze Prosa und Filmkunst zum Krimi werden (so weit sind wir fast schon), aber um alle Genres im Krimi unterzubringen, müsste mehr erlaubt sein oder: alles.
Nun Bozen. Der »Bozen-Krimi« lief, ebenfalls im Ersten, am Donnerstag davor. Er war freilich armselig und zum Abgewöhnen. Es war ein aufgeblasener, aufgeregter Krimi mit allen Klischees und Gemeinplätzen, die man sich denken kann. Da lieferten die Schauspieler brav ihre Sätze ab, der italienische Kommissar sprach dunkel und männlich, die Truppe veranstaltete alle zehn Minuten mit großem Aufgebot eine Razzia, und der Tod des Bauern durch einen Traktor zu Beginn war einfach lachhaft.
Das hätte man mit etwas Humor noch tolerieren können, aber Humor war Fehlanzeige, dafür gab’s pathetische Musik, etwas zu effektvolle Aufnahmen, Mafia-Geraune, kurze Blicke auf Bozen, etwas Dialekt und einen abgeschmackten Showdown auf dem Berg. So etwas hätte ins Zweite Deutsche Fernsehen gepasst, das seine Zuschauer ja immer mit gnadenlosen Schmonzetten quält. Der Bozen-Krimi war so schlecht, dass man fassungslos war.
am 15. Februar 2016 um 12:36 Uhr.
Hallo Herr Poser,
ich bin gerade auf Ihr Buch „Radsport furios“ aufmerksam geworden. Hätten Sie Interesse, das Buch auch gedruckt anzubieten?
Ich freue mich über eine Rückmeldung.
Mit freundlichen Grüße
Michael Schmitz