Frauen und Heilen (1)
Ich wollte über das Buch Woman as Healer von Jeanne Achterberg schreiben (und tue es unten), schlug bei Wikipedia die Lebensdaten der Autorin nach und fand: Sie starb heute vor vier Jahren, eine Woche nach Lucio Dalla, fast gleich alt. Deshalb ist es der passende Termin.
Die Frau als Heilerin heißt ihr 1990 erschienenes Buch auf Deutsch. Es ist ein akkurater Streifzug durch die Menschheitsgeschichte, und was man liest, ist empörend und deprimierend: Es ist die Geschichte, wie die Frau seit 3000 Jahren vom Mann unterdrückt wird; und nicht nur in der Medizin.
Bei den Sumerern im Zweistromland (Irak) fängt sie an. Diese Kultur begann bereits 7500 Jahre vor unserer Zeitrechnung und schenkte uns die Schriftzeichen, Architektur, Mathematik und eine Art Regierungskunst. Verehrt wurde Inanna (später Ishtar für die Assyrier), die Königin von Himmel und Erde, die Dame des Abends und des Morgensterns. Die Vereinigung von Männlichem und Weiblichem, Geburt und Wachstum des Lebens war ihr Bereich; es gab Fruchtbarkeits- und Sexualriten. Frauen heilten. Die Ashipu kannten den magischen Bezirk, die Asu die Pflanzen.
Es scheint, dass schon um 3000 vor Christus die Muttergöttin durch einen männlichen Gott ersetzt wurde, den sich Menschen erdacht hatten. Es sei stets Zeichen des Niedergangs einer Kultur, schreibt Jeanne Achterberg, dass sie ihre Frauen degradierten. Dann ging es stets bergab. Die neuen Götter waren Götter des Donners, des Windes und des Sturms (Zeus, Jahwe, Thor), und die Erde hatte ausgespielt. Ähnlich geschah es in Nordeuropa, wo noch zur Bronzezeit viele Opfer weiblichen Gottheiten gebracht wurden. Um 500 vor Christus kam der Umschwung. Zu erklären ist das durch äußere Umstände: Überfälle von Fremden, Hungersnöte, Erdbeben. Die Große Mutter spendete keinen Trost mehr, wurde immer häufiger zur Kriegsgöttin gemacht … um endlich durch einen männlichen Gott ersetzt zu werden, der sich dann auch strafend und rachsüchtig gab. Damit hatten die Frauen in der Gesellschaft und in der Heilkunst auch keinen Platz mehr. Doch gab es Ausnahmen.
In Griechenland wurden zwischen 2000 und 1000 vor Christus noch Heilgöttinnen verehrt (Hekate, Hygieia, Hera, die ägyptische Isis). Auch später, zur Zeit von Aristoteles und Hippokrates, als die Frauen nurmehr Sklaven waren, soll es noch einige gegeben haben, die Bücher schrieben und medizinische Vorträge hielten. Elephantis, schrieb Plinius der Ältere, sei so schön gewesen, dass sie, wenn sie lehrte, ihr Gesicht verbergen musste, um die Zuhörer nicht zu verwirren.
Auch im alten Rom praktizierten einige Frauen aus adeligen Familien mit Erfolg Medizin, wie noch Horaz schilderte. Um 200 nach Christus war es damit auch vorbei. Jedoch bot das junge Christentum den feurigen Anhängerinnen die Möglichkeit, zu heilen. Fabiola gründete 394 das erste Krankenhaus, und ihre Freundin Paula tat es ihr gleich. Über die nächsten Jahrhunderte, das dunkle Mittelalter, weiß man wenig: nur, dass die Pest regelmäßig die Bevölkerung dezimierte und es mehr Frauen als Männer gab.
Die Periode von 1000 bis 1300 war erfreulich. Frauen hatten etwas zu sagen, schrieben Bücher, wirkten als Hebammen, Tierärztinnen und Heilerinnen. Trotula aus der berühmten Schule von Salerno kam um das Jahr 1000 zu Ruhm, und das 13. Jahrhundert war die Zeit von Hildegard von Bingen und die Zeit des Minnesangs: Die Frau wurde geachtet und verehrt. Dann jedoch kippte die Lage um, und davon erzähle ich in einem zweiten Beitrag.