Adorno und das Misslingen der Kultur

Theodor W. Adorno hat als führender Philosoph der Nachkriegszeit immer wieder deutliche Worte gesprochen und in einer Vorlesung (am 20. Juli 1965 in Frankfurt) gesagt, dass »die Kultur bis ins Innerste hinein misslungen ist«. Diese pessimistische Aussage wurde jedoch auf dem Hintergrund von Auschwitz und der Atombombe getroffen, aber in Teilen gelten Adornos Erkenntnisse immer noch.

Man muss also die Zeit bedenken, in der Adorno vom Misslingen der Kultur sprach, und man muss auch den Begriff der Kultur bedenken, der ebenso schwammig ist wie der der Natur. Jedenfalls sagte er: »Wenn man sich klarmacht, dass alles das, was wir so Kultur nennen, in der Unterdrückung der Natur und der Spur der Natur besteht, die nicht beherrscht ist … Man könnte sagen, dass die Kultur den Gestank deshalb perhorresziert [verabscheut], weil sie selber stinkt ― in dem Sinn, wie Brecht es einmal in dem wahrhaft großartigen und erleuchteten Satz formuliert hat: die Menschheit habe sich bis heute einen gewaltigen Palast aus Hundescheiße gebaut.«

Das Misslingen der Kultur sei »zunächst einmal daran zu greifen, dass Philosophie, Kunst und die aufklärende Wissenschaft die Menschen, an die sie sich gerichtete haben und auf die sie ja auch als auf ihr ideales Subjekt unabdingbar bezogen sind, nicht wirklich ergriffen haben.« Er fragt, ob der Anblick der »unbeschreiblich schönen und intakten, teils mittelalterlichen und teils barocken Stadt [Bamberg] nun die Menschen, die dort gelebt hätten, auch irgendwie geformt, auch irgendwie verändert hätte, wie man es sich wünschen möchte«.

»Die Kultur gerade in ihren großen Manifestationen ist ja nicht eine Art sozialpädagogischer Anstalt, sondern sie hat ihre Wahrheit ― wenn sie eine hat ― nur in sich selbar. Und das, was sie für die Menschen vielleicht bedeuten kann oder könnte, kann sie nur dadurch erfüllen, dass sie dabei nicht an die Menschen denkt, sondern dass sie in sich selber rein und konsequent durchgebildet wird, ― was allerdings, so verblendet ist der Weltlauf, dann im allgemeinen der Kultur auch noch als ein Mangel an Liebe angekreidet wird … Ich glaube demgegenüber, dass auch in den sich selbst genügenden Zonen des Geistes die Unwahrheit haust.«

Das klingt pathetisch, um so mehr 50 Jahre danach in unserer Kultur der Fülle, der Atemlosigkeit, des Machens, wo alles ins Harmlose und Private hinabsinkt und gar nicht mehr durchdacht wird. In dieser Kultur der Selbstverwirklichung und Achtlosigkeit führen die hohlen PR-Parolen und die Beschwörung hoher Werte uns in den Nebel. Es geht uns gut, aber alles kommt uns alles so leer und unbedeutend vor.

Adorno beharrt darauf, dass, was ihn bewegt, »die wesentliche Forderung überhaupt an die Befreiung des Menschen von dem Schleier, von der Ideologie ist, dass sie des Moments der Unwahrheit gerade dort sich bewusst wird, wo diese Unwahrheit als Wahrheit, wo der Ungeist als Geist sich selbst verkennt.«

 

 

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