Im Anfang erat verbum

Im Salon des Hauses, in dem John Keats lebte, war eine hohe rote Metallfläche aufgestellt. Man konnte magnetische Scheibchen mit Silben und kurzen Worten umherschieben und selber ein Liebesgedicht basteln. So entsteht manchmal Literatur ― durch einen zufälligen Anfang, durch willkürliche Kominationen; im Spiel.

Mir fiel dazu Enzensbergers Poetikmaschine ein, die ich im Jahr zuvor in Marbach gesehen hatte; sie erschafft durch Knopfdruck zufällige Kombinationen von Elementen, die einen Satz ergeben. Auch mit einem Computer-Programm ließen sich zufällige Sätze bauen. Doch wozu die Technik bemühen? Nehmt die Scrabble-Steine, mischt sie durcheinander und verteilt sie. Dann dichtet! (Hier unten das schöne Objekt im Keats-Haus.)

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Der Zufall wollte es, dass ich ein paar Tage darauf an einer Schule vorbeikam und ein ähnliches Spiel sah: Hier sind auf kleinen wie Fußbällen gestalteten Scheiben kurze Partikel angebracht (the / from / my / big / had / now / dry). Man schiebt ein paar Bälle nebeneinander, um einen Satz zu bilden. Das schult die Fantasie der Kinder, und die Fußbälle motivieren sie zusätzlich. Vielleicht kommen sie dann heim und schreiben mit dem Filzstift Sätze auf, einen Absatz, eine Seite … einen Roman?

James Joyce und Flann O’Brien, zwei Iren, haben so ganze Romane geschrieben, der Surrealist André Breton hat mit einem Freund es »laufen lassen« und aufs Papier geworfen, was sich in die Feder drängte, und Lyriker lassen sich auch gern vom Zufall leiten (der manchmal keiner ist).

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Und dann zum Abschluss der Blick in eine Vitrine des Britischen Museums: Hier lagen kleine Alphabet-Fliesen (alphabet tiles) aus Stein, gefertigt von Ziegelbrennern. Anscheinend waren die Mini-Ziegel in der Chatsey-Abtei in Surrey (Südengland) verbaut worden, ob im Boden oder an den Wänden, weiß ich nicht. Sie stammen jedenfalls aus den Jahren von 1250 bis 1300, und die gezeigte Kombination heißt erat verbum: Das heißt war das Wort, und es ist wohl der zweite Teil des ersten Satzes im Johannes-Evangelium: »Im Anfang war das Wort (und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.« Hier die Ziegel (die man auch anders kombinieren könnte):

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Hören wir noch einmal den Anfang des Johannes-Evangeliums (die Übersetzungen sind nicht immer gleich, hier die Version von Hemp/Stenzel aus einer Ausgabe Stuttgart 1966):

Im Anfang war der Logos ― das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch dieses geworden, und ohne es wude auch nicht eines von dem, was geworden. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht ergriffen.

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