Renzi und das Referendum

Und wieder eine Schicksalswahl. Italien stimmte über eine Reform ab, die den Senat, der die Gesetzgebung unendlich verschleppte, endlich auf eine normale Dimension gebracht hätte. Das war zu gewagt. Italien ist ja ein konservatives Land. So konnten die Bürger getrost ablehnen und damit gleich Matteo Renzi abschießen, ihren aufstrebenden Regierungschef, er nach seiner bitteren Niederlage vor seinem Gefolge entsetzt ausgerufen haben soll: »Ich wusste nicht, dass sie mich so hassen!« 

011Am Tag nach dem Referendum, durch das sich Renzi abschießen ließ, muss man etwas zu Italien sagen. Oder: Schreiben wir über Italien. Erinnern wir uns noch an Kanzler Schröder, der ohne Not nach drei Jahren Neuwahlen ausrief und dann 2005 knapp unterlag? Seíther ist Angela am Ruder. Renzi hat vor einem Jahr sein Schicksal mit dem Referendum verknüpft, war damals wohl machtbesessen und machttrunken, und jetzt bekam er die Quittung dafür. Sie war deutlich. Ciao, Matteo!

Viele wollten Renzi eins auswischen, die Linke ist ja furchtbar zerstritten, und so kam er uns abhanden. Eigentlich war er ein arroganter Typ. Auf ziemlich miese Art hat er vor zwei Jahren Regierungschef Enrico Letta abserviert, der so wütend darüber war, dass er ihm nicht mehr richtig die Hand reichte.

Aber dann war Renzi auch kein schlechter Chef, reiste umher, gab sich zu tun. Er war zur Stelle, wenn es nötig war (etwa beim Erdbeben von Amatrice), und gab staatsmännische Sätze von sich.   Von Zeit zu Zeit attackierte er freilich Schäuble und Merkel und auch die gesamte EU, um von eigenen Fehlern abzulenken. Er habe eigentlich nicht sparen wollen, heißt es. Wieder hat eine Regierung nur zwei Jahre gehalten.

Brexit, Trump, das Italien-Referendum. Das sieht nach einem flächendeckenden Feldversuch aus: Hauen wir alte Strukturen weg und schauen wir, was passiert. Es wirkt, als habe die Demokratie sich abgelebt; die Leute wollen action. Auch ich schaltete am Morgen nach dem Referendum den Computer an, stellte mir die Kaffeetasse daneben und war gespannt, wie das Ergebnis lauten würde, als ginge es um eine Partie der Champions League.

011 010In meinen damaligen 5 Jahren in Rom erlebte ich drei Regierungen mit: d’Alema, d’Amato, Berlusconi II. Danach folgten: ein Jahr Berlusconi (III), zwei Jahre Prodi (das hatten wir erhofft im April 2006, und ich schrieb darüber in der Kritischen Ausgabe plus), zweieinhalb Jahre Berlusconi (IV), eineinhalb Jahre Monti, ein Jahr Letta, und nun zweieinhalb Jahre Renzi. Eine Frau sagte mir kürzlich in Rom: »Seit der Einführung des Euro ist das Leben immer schwerer geworden.« Ein anderer meinte früher: »Ach, 2004, da konnte man noch gut leben. 2006 ist es schlimm geworden.« Eigentlich herrscht immer Krise.

dscn1856Nur nicht bei der Mafia. Bei den Mafien blüht das Geschäft und spült so viel Geld an Land, dass die eleganten Dunkelmänner nicht wissen, wohin damit. Eine Studie der Weltbank, nachzulesen bei La Repubblica, ergab, dass Bankgeschäfte in Höhe von 60 Milliarden Euro als Geldwäsche gelten können. 63 Milliarden Euro sollen die Organisationen in sogenannten Fiskalparadiesen liegen haben. Die italienischen Banken haben Probleme, da sie zu viele faule Kredite am Bein haben, und so drücken sie ein Auge zu, wenn frisches Geld eintrifft. Die ‚Ndrangheta aus Kalabrien »hält« etwa 40 Prozent der Summe, der Anteil der Cosa Nostra (Sizilien) beträgt 30 Prozent und der der Camorra (Neapel) 20 Prozent. Natürlich hat der Staat viel zu wenig Leute und Geld, um die Banken gründlich zu durchleuchten.

Den Organisationen wird es egal sein, wer Ministerpräsident wird. Beppe Grillo sollte es sein, doch der betreibt ja innerparlamentarische Opposition. In seinem erfolgreichen Verein 5stelle (fünf Sterne) gibt es fast so viel Zoff bei bei der AfD. Ach, ein Komiker müsste an die Macht, ein Anarchist, einer wie Roberto Benigni! Das würde zu Italien passen. Er könnte Francesco Totti 014zum Kulturminister küren, Michelle Hunziker zur Außenministerin, Flavio Briatore zum Innenminister und Roberto Saviano zum Wirtschaftsminister, der nach dem Referendum wieder auf den vernachlässigten Süden hingewiesen und behauptet hat: Wer sich ihm widmet, gewinnt!

 

 

 

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