Schattentanz

In einer Art Schattentanz gehen zwei Menschen in einer Partnerschaft miteinander um. Mein Partner drückt meinen Schatten aus, den ich in mir trage (beim Mann ein männlicher, bei der Frau ein weiblicher Schatten), und er spricht durch sie, die Frau (oder spricht die Frau durch ihn, den Mann, an). Sagt Edwin C. Steinbrecher.

stierkampfDer amerikanische Therapeut (1930-2003) sagte das in seinem Buch Inner Guide Meditation (1988). »Was er (sie) in seinem Film tut, in seiner Erfahrung der Realität, macht keinen Unterschied. Das, was er in deinem Film tut, trägt die Botschaft deines Schattens.« Denn wir projizieren auf den Partner unsere versteckten Regungen, und er spiegelt sie uns zurück. Asrologen können das umgekehrte Horoskop eines Menschen deuten und wissen dann sofort, was der Partner tut und wie er lebt. Das ist ein Gesetz. Wir müssen die volle Verantwortung für die Äußerungen des anderen übernehmen, denn es sind ja wir, die durch ihn sprechen. Erst wenn wir das tun, können wir die Manipulation unseres Partners durch unsere Schattenseite begreifen und gegensteuern.

Heirat ist für Steinbrecher eine unbewusste Vereinbarung zweier Menschen, die Schattenprojektionen des anderen zuzulassen und sie auszuleben. Der Schatten ist das alter ego oder die andere Hälfte des Ganzen in jedem von uns. Wenn es gelingt, ihn zu erkennen und ihn sich bewusst zu machen, können sich beide Partner verwandeln; sie können wachsen oder aber sich trennen.

steingadenWenn nicht, meinte Steinbrecher, sollen die Partnern zusammenbleiben, bis dass der Tod sie scheidet und weiter mit ihrer Illusion leben, dass einer der Gute ist und der andere der Böse. Natürlich, daran erinnert uns der Therapeut, trifft der Mechanismus des Schattentanzes auch auf Geschäftspartner und gute Freunde zu; sogar unter Staaten gibt es Projektionen, die zurückkommen als Schattenwerk (wonach man den anderen verteufelt), und auch auf  Menschen anderen Glaubens, anderer Hautfarbe oder anderer Kultur projizieren wir unseren Schatten.

dscn4038Steinbrecher bringt einen Gedanken auf, den wir aus der Quantenphysik kennen: das Verschränktsein von Photonen. Die Entfernung spielt keine Rolle. Der, der zu mir gehört, kann in China sein und ich hier, und unsere Veränderungen und Projektionen werden sich auswirken. Darum ist »die einzige Möglichkeit, etwas an deinem Schatten-Projekt (oder –Subjekt) zu ändern, dich selbst zu ändern«. Ja, das Projekt: das, worauf ich mein Talent projiziere und das ich als etwas zu Verwirklichendes in die Zukunft projiziere. Steinbrecher rät: Denk daran, dass dein Partner, der deine Schattenseite auslebt, auch deine versteckten Qualitäten zeigt – Elemente, die dir nicht bewusst sein. Das ist dann eine gute Botschaft von deinem Schatten, und du lernst, dass da mehr ist, als du gedacht hattest; der Schattentanz kann dann sogar Spaß machen.

Edwin C. Steinbrecher: The Inner Guide Meditation. A Spiritual Technology for the 21st Century. York Beach, Maine: Samuel Weiser 1988, S. 155-159
Illustrationen: Stierkampf in Les Saintes-Maries-de-la-Mer; Detail aus der Kirche Steingaden (Oberbayern); Fußboden in der Basilika San Giovanni in Laterano, Rom.

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