Der Reformpädagoge

Der Zürcher Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi (1746−1827) wollte den Kindern eine Elementarbildung angedeihen lassen, damit sie sich selber helfen könnten. »Hilf mir, es selbst zu tun«, lautet auch der Grundsatz der Montessori-Pädagogik, und »Hilfe zur Selbsthilfe« hat sich, weil es so griffig klingt, aus dem Vokabular der »Entwicklungshilfe« erhalten (die heute bestimmt anders heißt).

Pestalozzi dachte also, in den Kindern Kräfte herauszuholen, die in ihnen bereits angelegt sind. Man müsse sie fördern, nicht etwas ihnen aufpropfen oder eintrichtern. Wissen muss an Bestehendes anschließen und in einen Rahmen gesetzt werden, dann hilft es weiter. Das Gegenteil ist Auswendiglernen. Wichtig ist sein Buch Wie Gertrud ihre Kinder lehrt (1801). Als Agrar-Unternehmer und praktischer Pädagoge blieb er ziemlich glücklos. Einige Projekte scheiterten, nur sein in Burgdorf gegründetes  Erziehungsinstitut hielt sich 25 Jahre, bis kurz vor seinem Tod.  — Pestalozzi hat in Zürich eine Statue fünf Fußminuten vom Hauptbahnhof entfernt, rechts in einem Park neben der Bahnhofstraße. Da stand früher ein Schulhaus, nun ist es ein Migros-Markt, und davor die Pestalozzi-Statue, etwas verloren auf der Wiese.    

In einem Antiquariat nahm ich dieses Frühjahr ein Büchlein mit Zitaten des großen Reformpädagogen mit. »Es ist im Innern unserer Natur ein heiliges, göttliches Wesen, durch deren Bildung und Pflege der Mensch sich allein zu der innern Würde seiner Natur zu erheben, durch das er allein Mensch zu werden vermag. — Liebe ist das einzige, das ewige Fundament zur Bildung unserer Natur zur Menschlichkeit.« Und mehr der schönen Worte, deren Botschaften er selber nicht immer beherzigte.  

Pestalozzi verehrte den Genfer Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau (1712−1778), der »Zurück zur Natur« predigte und überlegte, wie der Menschen in der Gesellschaft gut leben könne (bei der Rückreise aus Mailand, im Zug nach Zürich, las ich einige Zitate von ihm, die in den Waggons ausgehängt sind). Pestalozzi nannte nach ihm seinen 1770 geborenen Sohn »Hansjakob« und wandte streng die Methoden aus dem Buch Émile an. Er war sehr hart zu dem Jungen, der schon 1801 mit 31 Jahren starb.  

Dies ist eine Parallele zum Leben Goethes, dessen Zeitgenosse der Zürcher war (Goethe war drei Jahre jünger und starb fünf Jahre nach Pestalozzi): Der Dichterfürst behandelte seinen Sohn auch nicht besonders zuvorkommend und ließ ihn Lakaiendienste verrichten. August starb auf einer Italien-Reise in  Rom und ist auf dem dortigen Protestantischen Friedhof bestattet.  »Goethe Filius« liest man auf der Stele: »Patri antevertens, obiit annor XL, MDCCCXXX.« Vorangegangen dem Vater, starb mit 40 Jahren, 1830. Goethe pater schloss dann zwei Jahre später in Weimar seine Augen, doppelt so alt. Aber August ruht in der Ewigen Stadt.    

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