Flugverkehr (69): Adler und Apachen

Federica de Cesco, 1938 in Pordenone geboren, hat bislang 82 Kinderbücher geschrieben, für jedes ihrer Lebensjahre eins, dazu 14 Romane für Erwachsene und 6 Sachbücher. 100 Bücher! Ich möchte hier einen Auszug aus Milas Zauberlied (1997) vorstellen, in dem es um einen prominenten Vogel geht, den Adler.

Die Erzählerin – Mila, 12 Jahre alt – lebt mit ihrer Großmutter Alope in einem Reservat. »Bevor die Weißen kamen«, sagt die Grandma, »zogen wir Apachen frei durch unsere Heimat. Im Winter besiedelten wir die Täler, im Sommer schlugen wir das Lager in den Bergen auf. Wo es genug zum Leben gibt und die Luft frisch und klar ist. Wir hatten alles, was wir brauchten.« Es gab einmal 45 Millionen Indianer, heute mögen es weniger als eine Million sein. Die Weißen walzten alles nieder.

Mila und Alope sitzen neben der Haustür. Sie blicken über die Ebene bis zum Heiligen Berg, dem Dzil Nachaa si. Die Sonne geht unter, Fledermäuse zucken über die Büsche. Weil Mila wissen will, woher die Geister kommen, erzählt die Großmutter, wie die Welt entstanden ist.

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Am Anfang war die Erde nur von Tieren bevölkert. Alle diese Tiere konnten sprechen und waren mit Vernunft begabt. Es gab drei Arten von Tieren: die Vögel, die Säugetiere und die Reptilien. Der Häuptling der Vögel war der Adler, der Häuptling der Säugetiere der Silberlöwe, der Häuptling der Reptilien der Drache. Jahrtausendelang lebten die Tiere in Frieden, bis eine große Dürre ausbrach …

Bald begann ein heftiger Krieg. Die Säugetiere hatten sich mit Stöcken bewffnet, aber die Adler hatten die Vögel gelehrt, mit Pfeil und Bogen umzugehen. So waren die Vögel die Stärkeren. Am allergefährlichsten allerdings waren die Reptilien … Der Drache nämlich, so groß wie ein Berg, war gegen Pfeile fast unverwundbar. Da hatte der Adler einen Einfall: Er flog in die Luft empor, mit einem weißen Stein im Schnabel. Aus gewaltiger Höhe ließ er den Stein auf den Kopf des Drachens fallen und der Drache starb. So gewannen die Vögel den Krieg.

Der Adler war weise und regierte klug; und als keine bösen Drachen mehr die Welt bevölkerten, konnten schließlich die Menschen entstehen. Weil wir es aber dem Adler veradnken, dass wir auf der Welt sind, schmücken wir uns ihm zu Ehren mit Adlerfedern. Wir tragen diese Federn als Zeichen der Weisheit, der Gerechtigkeit und der Macht.

Eagle Shirt. Portrait um 1899 von Heyn Photo. Dank an Library of Congress, Wash. D. C.

Eagle Shirt. Portrait um 1899 von Heyn Photo. Dank an Library of Congress, Wash. D. C.

In vielen Mythen entsteht der Mensch aus Lehm. Auch hier, bei den Indianern: Ein Fluß tritt über die Ufer, der Lehm wird hart, eine Frau schlägt die Augen auf. Es war die weiß bemalte Dame, in die sich der Geist des Wassers verliebte. Geboren wurde das Wasserkind. Doch ein Drache hatte überlebt und wollte den Jungen fressen. Der Kleine jedoch hat Pfeil und Bogen beherrschen gelernt, stellt sich dem Drachen und jagt einen Pfeil in jedes Auge des Drachen, der tausend Meter hinab in eine Schlucht stürzt.

Der Vater des Wasserkindes sagt »Weil du die Welt von diesem Ungetüm befreit hast, sollst du Apache heißen, was Feind des Bösen bedeutet.« Seine Eltern lehrten ihn die 32 Heiligen Gesänge, und wenn sie die intonierten, hörten sie da Herz der Ahnen in der Erde pochen. Dann erschienen ihnen die Geister im Traum und gaben ihnen Ratschläge.

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