Lars Gustafsson; Tomas Tranströmer

Die beiden großen schwedischen Schriftsteller Lars Gustafsson und Tomas Transtömer sind in den vergangenen beiden Jahren gestorben, ohne dass ich es mitgekriegt hätte. Jedes Ende ist ein Anfang. Zwei Lebenswerke.

Lars Gustafsson hat seit seinem ersten Roman Vägvila, erschienen in meinem Geburtsjahr 1957, ein reichhaltiges Romanwerk vorgelegt, zu dem aber auch Gedichtbände zählen. Wenn einer fast 60 Jahre schreibt, kommt etwas zusammen. Wikipedia nennt 50 Bücher. Im Gegensatz dazu kam der Lyriker Tomas Tranströmer mit 12 Gedichtbänden aus, die insgesamt weniger als 500 Druckseiten umfassen. Ist auch ein Lebenswerk, ein komprimiertes.

Sonnenuntergang in Südschweden, fotografiert im Juni 2010

Sonnenuntergang in Südschweden, fotografiert im Juni 2010

Gustafsson kam im Mai 1936 in Västerås zur Welt, 100 Kilometer westlich von Stockholm. Västerås, da spielt Yllet (Wollsachen), ein schmaler kleiner Roman, der mich 1973 bezauberte. Mit der Hauptperson, einem melancholischen, immer verliebten jungen Studenten, konnte man sich gut identifizieren, wenn man ein weltschmerzgeplagter 16-Jähriger war. (Ich suche das Büchlein vergebens, vermutlich habe ich es verliehen.) Der Junge setzt sich für das Gute in der Welt ein, demonstriert dafür, liebt und leidet. Erzählt wird das alles von einem Freund nach dem Tod des späteren Mathe-Lehrers in Västerås, den ein Holzlaster überfuhr.

Schön war auch der Nachmittag eines Fliesenlegers (En kakelsättares eftermiddag) von 1991. Da ist die Hauptperson ein 65-jähriger Handwerker (logisch: Der Autor, der die Wollsachen schrieb, war 27 Jahre alt; und als er den Fliesenleger verfasste, war er auch 65. Am besten schreibt man über Leute, die man gut kennt: sich selbst.). Einfach ist das geschrieben, humorvoll auch, und der Fliesenleger, der ein Chaot ist, fährt natürlich Volvo. Später war Lars Gustafsson 23 Jahre lang Professor für Literatur in Texas (also auch ein Ausgewanderter), bevor er 2006 nach Schweden zurückkehrte. Er starb kurz vor seinem 80. Geburtstag.

Tomas Tranströmer wurde 1931 geboren und starb im März 2015. Er erhielt 2011 den Nobelpreis für Literatur. Ich finde es immer wunderbar, wenn ein Lyriker ausgezeichnet wird. Ich holte mir sogar seinen Band Das große Rätsel (2005), das auch die schwedischen Originalgedichte bringt, denn ich finde, Lyrik sollte man im Original lesen. Tranströmer ist Jahrgang 1931 und lebte als junger Mann ab 1965 lange in Västerås, wo die beiden Autoren sich hätten kennenlernen können. Gekannt werden sie sich haben, freilich. Schweden ist groß, hat aber nur knapp zehn Millionen Einwohner. Das ist, als würde man die Bevölkerung Bayerns auf ganz Deutschland, die Schweiz und Österreich verteilen.

Drei Haikus von Tranströmer (übersetzt von Hanns Grössel für den Hanser-Band von 2005):

Döden lutar sig
över mig, en schackproblem.
Och hat lösningen.

Der Tod beugt sich
über mich, eine Schachaufgabe.
Und hat die Lösung.

Askfärgad tystnad.
De blå jätten går förbi.
Kall bris från havet.

Aschfarbenes Schweigen.
Der blaue Riese geht vorbei.
Kalte Brise vom Meer.

Människofåglar.
Äppelträden blommade.
Den store gåtan.

Menschenvögel.
Die Apfelbäume blühten.
Das große Rätsel.
Zwei weitere Beiträge mit Tranströmer-Gedichten:
Seestille; Knast-Haikus.

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.