Sterben und Tod

In unserer Alltagsbegleiter-Ausbildung (für einen Job im Altenheim) hätte ich mir eine Unterrichtseinheit Sterben und Tod gewünscht; man wird im Heim damit konfrontiert. Gibt es aber nicht. Bei der Lektüre einschlägiger Texte merkt man, dass Leben und Tod nicht so einfach zu definieren sind.

Nehmen wir den Band Tod und Sterben, herausgegeben 2001 von Peter Hucklenbroich und Petra Gelhaus. Ich will nur ein paar Sätze herausgreifen. Hucklenbroich legt ein paar Definitionsversuche für Leben vor und schreibt dann:

Es ist fraglich und in der gegenwärtigen Grundlagendiskussion der Biologie durchaus kontrovers, ob der Begriff des Lebens durch eine der bisher aufgezählten Methoden der Definition adäquat erfasst werden kann. (S. 5)

Man weiß nicht genau, was Leben ist. Mit dem Tod ist es ähnlich. Hucklenbroich, zweimaliger Doktor und zweimaliger Professor, merkt an:

Ich halte es unter den geschilderten Bedingungen nicht für sinnvoll, einen bestimmten Zeitpunkt als den Todeszeitpunkt des Menschen festlegen zu wollen. Wenn es überhaupt einen Zeitpunkt geben sollte, der einer solchen scharfen Grenze entsprechen könnte, dann wäre es derjenige, an dem unwiderruflich die Fähigkeit des Menschen zu bewusstem Empfinden, Erleben und Denken erloschen wäre. Nun ist aber weder bekannt, welcher somatische Zustand bzew. Gehirnzustand durch ein solches Kriterium bezeichnet würde, noch ist das Kriterium in seiner Formulierung selbst besonders scharf abgrenzend, da der Übergang von Bewusstsein zu Bewusstlosigkeit weder subjektiv noch objektiv scharf bestimmt werden kann. (S. 9)

Der Hirntod stelle nur einen terminus ante quem dar, über den hinaus kein bewusstes Erleben mehr möglich sei, aber er sei nicht identisch mit dem point of no return.

Was mir noch auffiel: Rainer Wettreck schreibt über die Begegnung mit Sterbenden, in großen Kliniken werde, wenn das Lebensende nahe sei, häufig noch alles gemacht.

Wird maximale Therapie bis zum Schluss gefahren, ist ein »Sterben« zunächst nur in der Retrospektive als solches zu erkennen. Wird der Zugriff der Medizin nicht vorher bereits gelockert und bewusst eine Wende eingeleitet, geht die Therapie ohne Sterbephase oft direkt in den Tod über. Der Patient ist nie »sterbend« gewesen, sondern an den Nebenwirkungen der Therapie ― »in Hoffnung auf Heilung« ― verstorben. In der zugespitzten Praxis von moderner Medizin, unter dem Fortschritt der HighTech-Medizin, gibt es dann eigentlich unser Thema »Sterben« nicht mehr: Ärzte begegnen nicht Sterbenden, sondern Schwerkranken »unter Therapie«. (S.123)

Damit soll es genug sein. Es sind Gedankenanstöße.

 

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