Barmherzigkeit
Ich wurde auf Schwester Faustyna gestoßen, die bei ihrer Geburt in Polen 1905 den Vornamen Helena erhalten hatte. Sie trat ins Kloster ein, hatte Visionen, und Jesus, dem sie als getreue Sekretärin diente, verpflichtete sie darauf, die Barmherzigkeit Gottes in der Welt zu verbreiten. Am 30. April wurde sie heilig gesprochen, über 70 Jahre nach ihrem Tod.
In einem Büchlein über ihr Leben steht als Einleitung:
Apostelin der Barmherzigkeit Gottes, Prophetin unserer Zeit, große Mystikein, Meisterin des geistigen Lebens – das sind die Titel, die im Zuwsammenhang mit dem Namen der hl. Schwester Faustyna Kowalska aus der Kongregation der Muttergottes der Barmherzigkeit am häufigsten genannt werden. Sie gehört zu den bekanntesten und am meisten geliebten Heiligen der Kirchengeschichte. Man assoziiert sie gemeinhin mit Güte und Barmherzigkeit sowie mit einer äußerst mächtigen Fürsprache vor der Majestät Gottes.
Papst Johannes Paul II. setzte sich sehr für ihre Erhöhung ein und sprach sie dann auch heilig. In jenem Jahr 2000, einem Heiligen Jahr, lebte ich auch in der Ewigen Stadt. Das Ereignis ist mir jedoch entgangen. Es war soviel los. (Illustration: das berühmte Bild, entstanden nach Faustynas Beschreibung. Darunter steht: Jesus, ich vertraue auf dich. In meinem Roman Tod am Tiber wird es am Ende erwähnt, in der Kapelle Domine quo vadis …)
Zum Glück hat Schwester Faustyna nicht den Zweiten Weltkrieg miterlebt. Ihren Einsatz für die Barmherzigkeit – misericordia auf Lateinisch, miłoserdzie auf Polnisch – bleibt immer aktuell. Es fehlt an ihr, es fehlt an Gnade, Nachsicht und Vergebung.
Ich kenne gut die Kabbala. Die Energie strömt von oben herab und pendelt zwischen dem Pfeiler der Liebe (rechts, ihn verkörpert Abraham) und dem Pfeiler der Strenge (links, dem Isaias zugeordnet) hin und her, bis sie in Kether Malkuth verkörpert, in unserer Welt . Ein Mittelweg (der des Jakob) wäre schön; aber auch ich neige zu sehr der Härte zu, müsste mehr Wärme und Güte walten lassen, vor allem mir selbst gegenüber. Sich selbst muss man verzeihen, erst dann kann man sich anderen gegenüber öffnen.
Diese westliche Gesellschaft, die viel erreicht hat und sich viel darauf zugute hält, ist zu streng. Es ist ein Rechtsstaat, und sein Recht kann man reklamieren und einfordern, aber wem das nicht gelingt, der ist verloren. Soziale Gerechtigkeit wollen die Linken immerzu, Ordnung und die Unterordnung des Bürgers wollen die Rechten. Und so regiert immer Angst. Barmherzigkeit jedoch kennt keine Angst, nur die Liebe und als Basis Vertrauen. Ich will mir also vornehmen, in diesem Jahr 2018 sanft zu sein, gütig und nachsichtig.