Es geht ums Geld
Es geht ums Geld im neuen Heft der »Kritischen Ausgabe« aus Bonn. Im 16. Jahr schon legt die K. A. ihre Zeitschrift für Germanistik & Literatur auf, und so sind schöne Themenhefte entstanden, deren vollständige Aufzählung auf ihrer Internetseite einzusehen ist. Auf dieser Seite — nur zur Erinnerung — hatte ich über sechseinhalb Jahre meine Kolumne Ausreißversuche, den manipogo-Vorläufer.
Geld also heißt der Titel des 23. Hefts, und darin findet sich etwa ein Interview mit dem österreichischen Schriftsteller Peter Rosei (1946 geboren), den wir vor 30 Jahren als Studenten sehr schätzten. Sein neuer Roman heißt Geld!, und kürzlich beim Buchhändler sah ich den Titel Bluff!, und es gibt auch Jetzt! Diese Titel folgen dem Diktat der Suchmaschine. Kauft mich, heißt das, und andere Ambitionen, falls sie da sind, verschiebt man in den Innenteil. Geld ist der Untertitel vieler Bücher, Geld ist der Subtext der Gesellschaft oder, wie es im Heft heißt, das »wesentliche Symbol der Moderne«.
Geld ist ein schönes Heft geworden. Klares Inhaltsverzeichnis, übersichtliche Gestaltung, vielleicht etwas zu viele freie weiße Flächen (früher haben wir das immer »Raum für Notizen« genannt). Die Illustrationen im Comic-Stil sind gelungen und stammen von Christopher Hohlbaum. Sehr schön ist auf Seite 116 das »Auftaktpanel« des Comihefts Frickie-Frickie von Marc Degens und Udo Smialkowski. Verantwortet wird Geld von Ute Friederich und Benedikt Viertelhaus.
Der Beitrag über Luther Blissetts Q hat mich interessiert, da es ein Werk italienischer Linker ist. Gefallen hat mir auch die Geschichte, wie der junge Schweizer Rapper Jürg Halter den alten japanischen Lyriker Tanikawa Shuntarō in Durban (Südafrika) trifft und beide zwischen Bern und Tokio über 9766 Kilometer hinweg ein Kettengedicht schreiben, das nun Sprechendes Wasser heißt und im Secession Verlag (Zürich) erschienen ist. Abgehandelt hat das Grischka Grauert unter dem Titel Flusskobolde — Sake-Schalen — Traumgestade.
Vom Werk der Lyrikerin Elfriede Gerstl aus Wien (1932−2009) erfährt man einiges, und The Meaning of Money von der Soziologin Viviane Zevizer könnte auch die Lektüre wert sein, wenn man Zeit hat. Ich interessiere mich nicht für Geld. Es wird darüber geschrieben, weil man annimmt, dass das alle interessiert.
Die Autoren sind meist in den 1980-er Jahren geboren, der älteste Beiträger 1947, der jüngste 1989. Professoren sind darunter, auch ein Akademischer Rat, und ich dachte mir, so etwas wäre ich gern, das klingt universitär und abgehoben. Wäre das etwas für eine künftige Inkarnation? 30 Jahre an der Uni verbringen, viel Zeit haben, mal eine Affäre mit einer Studentin beginnen und in seine Prosa die Wörter »derlei« und »vermag« einstreuen, das klingt nach einem Lebensentwurf.
Aber dann diese geblähten Phrasen … Jemand schreibt über das Märchen Hans im Glück: »Die Märchensammler und -editoren wählen hier — vermutlich aus unserer Perspektive weitgehend unbemerkt — einen Ansatz, der dem absonderlichen Unter-Wert-Tauschen von Hans ein gewisses moralisches Korrektiv zu verleihen vermag, d.h. den Verlust zumindest in den ersten Abstufungen womöglich ein Ausgleich für die überproportional hohe Bezahlung darstellt.« Da sind einige Fehler drin (der Verlust muss es heißen, einen Ausgleich), abgesehen von der Tatsache, dass man nur ahnt, was gemeint ist.
Das Heft ist ein Fundus für Linguisten. Man wundert sich über Sätze und die Sprache (»Das ist Lauras szenische Krise und zugleich die performative Validierung ihres Namens«); vielleicht ist das der »utopische Mirakulismus«, den ein Autor als Trend der zeitgenössischen Literatur ausgemacht zu haben glaubt, ein Trend, na wenn schon, und drei Seiten über deutsche Modalpartikeln von Silvia Ulivi, warum nicht, aber wenn ich mir das ganze Heft anschaue, dann denke ich mir: Im nächsten Leben besser nicht Akademischer Rat sein; lieber Hans im Glück, der hatte es begriffen: Leicht sei dein Gepäck, und den Lilien auf dem Felde geht’s auch gut.