Verhütung
Dass Schwester Maria Laura als Aids-Koordinatorin 1991 zwei Ärztinnen begleitete, die eine Schachtel mit Kondomen im Rotlichtviertel von Morogoro abstellte, wurde ihr zum Verhängnis. Verhütung ist von der katholischen Kirche untersagt; sie musste den Orden verlassen. Über ihr Leben hat Majella Lenzen (so ihr bürgerlicher Name) 2009 das Buch Das möge Gott verhüten geschrieben.
Der Untertitel lautet: Warum ich keine Nonne mehr sein kann. Sein darf, hätte es heißen müssen; aber niemand wird aus einem Orden entlassen, es ist immer ein »freiwilliger« Austritt. 1995 wurde Schwester Maria Laura von den Regeln ihres Ordens befreit, den Missionsschwestern vom Kostbaren Blut.
Majella Lenzen, 1938 geboren, kam 1959 nach Afrika und arbeitete dort über 30 Jahre in Kliniken und auch als Provinzialoberin. Früh machte sie die Erfahrung, dass eigenständiges Denken und der Versuch, Veränderungen durchzusetzen, an der Hierarchie und dem starren Gerüst der Regeln scheiterten. In der Kirche geht es zu wie in jeder Firma, und nur Blauäugige meinen, dort herrschten bloß Nächstenliebe und Demut. (Rechts: Gang in einem Benediktinerkloster in Ostafrika; 1984 aufgenommen von mir)
Der polnische Papst hatte am Kondom-Verbot festgehalten, und erst recht tat dies sein Nachfolger, der geschulte Dogmatiker Ratzinger als Papst Benedikt XVI. Frau Lenzen schreibt:
Als das Kirchenoberhaupt im März 2009 zu seiner ersten Afrikareise seit seiner Wahl aufbrach, verbot er weiterhin kategorisch den Gebrauch von Kondomen, obwohl seit den achtziger Jahren mehr als fünfundzwanzig Millionen Menschen auf diesem Kontinent an Aids gestorben sind. Seine Worte auf dem Weg nach Kamerun: »Man kann das Aids-Problem nicht durch die Verteilung von Kondomen regeln. Ihre Benutzung verschlimmert vielmehr das Problem.« Die Lösung liege in einem »spirituellen und menschlichen Erwachen« und der »Freundschaft für die Leidenden«. Was für ein Hohn.
Im September 2011 war der Papst dann in Freiburg. Großer Bahnhof in der katholischen Stadt. Im Jahr darauf veröffentlichte Frau Lenzen in der Domstadt Köln ein neues Buch: Fürchte dich nicht! Mein Weg aus dem Kloster. Da haben wir es wieder: Lebe furchtlos, sei fearless! Sei du selbst, so gut du es sein kannst! Doch in der Firma haben wir immer Mitarbeiter, die wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, und es gibt Intriganten, und keiner traut sich, den Mund aufzumachen.
Majella Lenzen wirkte lange erfolgreich am Krankenhaus Turiani in Tansania, da sie medizinisch gebildet war (sie hatte Ärztin werden wollen, doch das wurde ihr verweigert). Danach schickte man sie nach Simbabwe (Demut gibt es im Orden als widerspruchsloses Gehorchen), und schließlich wurde sie für Moshi als Aids-Beauftragte ernannt. Da erlebte sie die ganze Hölle der Vorurteile gegenüber den Erkrankten. Sie zahlten angeblich für ihre »Sünden«, hieß es. (Links: Frühstückstisch für die Mönche, Ostafrika 1984)
Dörfer und ganze Landstriche wurden durch Aids entvölkert. Es war eine schreckliche Plage. Ist alles schon wieder vergessen. Uganda und Tansania gehörten zu den am meisten betroffenen Staaten. Schwester Maria Laura folgte ihrem Gewissen – und scheiterte am System. Doch die Wahrheit muss gesagt werden; »wenn alle schweigen, wird sich nie etwas ändern«, steht auf der Rückseite des Buches, ein Zitat der Autorin, die heute in Düren lebt.