Josef Mengele aus Günzburg
Das Buch Das Verschwinden des Josef Mengele ist anscheinend ganz neu als Taschenbuch im Aufbau-Verlag erschienen. 2017 kam es auf Französisch erstmals auf den Markt. Wurde ein Bestseller. Steht auch auf dem Buch: »Bestseller«. Über den Verfasser (der Franzose Oliver Guez, 1974 geboren) steht auf dem Titel: »Der Autor der Stunde« (Süddeutsche Zeitung). Der übliche Verlags-Hype. Das Buch ist gut geschrieben, ja. Mengele also, der Herr Doktor, die Bestie, die man zusammen mit Himmler und Eichmann nennen muss.
Ein Bestseller. Viele möchten wissen, wie er weiterlebte nach dem Krieg, der Josef Mengele aus Günzburg in Bayern, und wie er endete: ob er seine gerechte Strafe bekam. Gleich nach dem Krieg wurden 20 deutsche KZ-Ärzte in Nürnberg angeklagt und ein paar von ihnen hingerichtet. Alexander Mitscherlich schrieb über die Medizin in den Lagern und das Verfahren den Band Medizin ohne Menschlichkeit. Mengele jedoch stand nicht vor Gericht; er entwich nach Lateinamerika, lebte in Buenos Aires und in Paraguay. Die jüdischen Agenten holten sich Eichmann, der 1962 hingerichtet wurde, doch Mengele entkam. Er wurde dann irgendwann krank und brach am 7. Februar 1979 an einem Strand tot zusammen, und seine Überreste wurden untersucht und zerlegt, wie Mengele selbst hunderte Tote zerschnitt und zergliederte.
Josef Mengele war der erste Arzt im KL Auschwitz. In Birkenau stand er an der Rampe, und eine Bewegung seiner linken Hand hieß sofortiger Tod im Gas, eine Bewegung seiner Rechten: kleine Chance, vermutlich qualvoller Tod bei abstrusen, perversen Experimenten, die er selbst leitete. An manchen Tagen schickte der Arzt 10.000 Menschen ins Gas, und nachdem die 400.000 ungarischen Juden eingetroffen waren, hatte er Hunderttausende zum Tod verurteilt.
In Birkenau mussten die Verdammten unter Hundegebell und den Peitschen der SS-Aufseher nich ein paar hundert Meter gehen zur Gaskammer, sich entkleiden und eintreten. Dann warf ein Funktionär das Gas in eine Öffnung. Die Toten wurden von Häftlingen herausgezerrt und zu Tausenden im Krematorium verbrannt. Damit machten sich die Nazi-Aufseher ihre Hände nicht schmutzig, sie beteiligften gern Unschuldige an ihrer Schuld.
Himmler war ein Schwätzer und Schwächling, Eichmann ein Bürokrat des Todes, der die Züge rollen ließ, doch Mengele war eine rechte Bestie. Er war der Untermensch, als den seine Spießgesellen die Juden bezeichnete. Deshalb überflog ich die Seiten des Buches schnell. Ich will nicht wissen, was Mengele (angeblich) empfand oder ob er etwa traurig war — er, der sich nicht für die Todesangst der Hunderttausenden interessierte, die er ins Jenseits schickte und zu Rauch verwandelte. Denen er seltsame Mittel injizierte, an denen sie auf schauerliche Weise krepierten.
Wie schon öfter betont: Die Opfer müssen wir ehren und ihrer gedenken, und nicht gedacht werden soll ihrer Mörder. Nicht gedacht sollte seiner werden, des Mengele. Nicht gedacht soll … da gab es doch ein Gedicht, oder? Es ist von Heinrich Heine, und da steht es, perfekt, was ich auch denke:
»Nicht gedacht soll seiner werden!«
Aus dem Mund der armen alten
Esther Wolf hört ich die Worte,
Die ich treu im Sinn behalten.
Ausgelöscht sein aus der Menschen
Angedenken hier auf Erden,
Ist die Blume der Verwünschung –
Nicht gedacht soll seiner werden!
Herz, mein Herz, ström aus die Fluten
Deiner Klagen und Beschwerden,
Doch von ihm sei nie die Rede —
Nicht gedacht soll seiner werden!
Nicht gedacht soll seiner werden,
Nicht im Liede, nicht im Buche —
Dunkler Hund im dunkeln Grabe,
Du verfaulst mit meinem Fluche!
Selbst am Auferstehungstage,
Wenn, geweckt von den Fanfaren
Der Posaunen, schlotternd wallen
Zum Gericht die Totenscharen,
Und alldort der Engel abliest
Vor den göttlichen Behörden
Alle Namen der Geladnen —
Nicht gedacht soll seiner werden!