Flugverkehr (101): Nel blu dipinto di blu

Nochmal Blau, so wird es eine Trilogie. Gerade überflog ich den Text des italienischen Liedes Nel blu dipinto di blu, bekannt durch den Refrain Vo-la-re, oh oh, cantare, oh oh oh oh. Das ist eine inoffizielle Nationalhymne, gesungen damals von Domenico Modugno, hier bei einer US-Show 1958. Der Text ist ungewöhnlich, hat mit dem Fliegen zu tun (volare), dem Himmel und den schönen Augen der Liebsten.

Kürzlich sang ich das meiner Mutter vor. Ich saß auf der Terrasse, sie drinnen. Ein italienischer Mitarbeiter lugte ums Eck; es gefiel ihm. Meiner Mutter nicht so, sie machte Miene, das Fenster zu schließen, ich flehte: Ich singe nicht mehr, versprochen, lass das Fenster offen! Da grinste sie.

Blau ist auch eine der drei französischen Nationalfarben. Denn gestern war der Nationalfeiertag im Nachbarland. Hier der Trailer zu dem Film Drei Farben: blau von Kieslowski. In Italien ist der Himmel blau, und das Meer ist es. Fast hätte ich dabei den Song Azzurro von Adriano Celentano vergessen, Azurblau, und die italienische Fußball-Nationalmannschaft heißt auch die Azzurri, wegen des blauen Trikots..

Modugno singt:

008Ich denke, so einen Traum
ich niemals mehr schau‘.
Ich bemalte mir Hände und
Gesicht ganz mit Blau.
Dann kam ein Windstoß, trug mich 
davon, war unwiderstehlich.
Und ich begann zu fliegen
im Himmel, unendlich.  

Fliegen, oh oh,
singen, oh oh oh oh!
Im Blau, gemalt ganz in Blau
so glücklich über das, was ich schau‘,
0073_bisund ich flog und ich flog
weit über die Sonne hinaus,
und noch höher’s mich zog,
und die Welt sah wie ein Schneckenhaus aus,
und eine süße Musik erklang
nur für mich.

Das ist fast eine Jenseitsvision. Die Zeugen einer Nahtoderfahrung erzählen, es habe sie in rasendem Tempo hochgezogen, manche sahen die Welt weit unter sich liegen, und in dem Reich dort oben wurden ihnen alle Fragen beantwortet. Dann aber müssen sie zurück (andere fliegen weiter). Auch Modugno erkennt, dass die Träume im Morgengrauen verblassen; doch er träumt weiter von ihren schönen Augen, die blau sind wie ein Himmel, geziert mit Sternen (occhi tuoi belli, che sono blu come un cielo / dipinto di stelle).

Im letzten Vers singt er dann nicht mehr im Blau, gemalt ganz in Blau, sondern

im Blau deiner Augen so blau

und ist glücklich, hier unten zu sein, und dennoch fliegt er im Geiste weiter, höher als die Sonne, während die Welt allmählich in ihren blauen Augen verschwindet (scompare nei occhi tuoi blu) und ihre Stimme eine süße Musik ist, die nur für ihn erklingt (la tua voce una musica dolce che suona per me). Eine Hymne an die Liebe; die Welt und alles löst sich auf im Liebesobjekt: das ist echte Hingabe. In Blau.

 

Illustrationen: oben Fluggerät von Rolf Hannes; darunter Szenenbiöd eines Konzerts von David Gilmore, 2007

 

 

 

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