Indonesisches Schattentheater
Ich pflückte ein Buch aus einem Regal, Das indonesische Schattentheater, und als ich in Zürich war, hatte das Museum Rietberg eine Ausstellung zu eben dem Thema, die noch bis 29. November zu sehen ist. Also musste ich etwas dazu machen. Gespielt wird das Theater noch am ehesten auf der Insel Java und dem benachbarten Bali, beide zu Indonesien gehörig. Java mit der Hauptstadt Jakarta hat 145 Millionen Einwohner und damit mehr als die Hälfte Indonesiens mit seinen 17.508 Inseln. Bali wird von 4 Millionen Menschen bewohnt.
Zur Entstehung des Schattentheaters heißt es in dem Buch von Clara B. Pink-Wilpert (1976):
Die Lieblingsgemahlin des chinesischen Herrschers Wu (140-87 v. Chr.) war gestorben. Da fiel der Kaiser in tiefe Betrübnis. Viele Untertanen versuchten ihn zu erheitern, aber vergebens. Eines Tages meldete sich Shao Wong und versprach, die Gestalt der toten Göttin wiedererstehen zu lassen. Als es dunkel wurde, spannte er einen Vorhang und hängte eine Lampe dahinter. Zwischen Lampe und Stoff hielt Shao nun eine Frauenfigur und projizierte so enen Schatten auf die Leinwand, der der Verstorbenen glich.
Bei einer Schattentheater-Aufführung erscheinen mythisch-religiöse Figuren, meist aus dem indischen Epos Mahabharata, denn der Hinduismus griff auf die indonesischen Inseln über. Arjuna tritt auf, Yudhistira, die Göttin Rafi, Srikandi und Kunti, und die Grundlinien des Epos werden getreu dargestellt: Es geht um den Kampf zwischen den Kurus und den Pandavas, dabei um Entführung, um Schlachten und die Liebe, und alle denkbaren ethischen Fragen werden behandelt.
Auf Bali ist der Beginn gegen 22 Uhr, und ein Gamelan-Orchester lädt dazu ein. Auf einen Bambusrahmen ist ein transparentes Tuch gespannt (kelir), und über dem Schattenspieler, dem dalang, hängt eine Lampe. Die Zuschauer sehen die Schatten der Gestalten (wayang kulit), die aus Rinderhaut gefertigt und schön bemalt sind. Solch eine Aufführung kann bis 5 Uhr morgens dauern; der Held tritt gewöhnlich um Mitternacht auf. Es wird gegessen und vermutlich auch gejohlt, vermutlich entspricht eine solche Aufführung dem Open-Air-Kino. Der dalang muss eine lange Ausbildung durchlaufen und genießt hohes Ansehen in seiner Gemeinschaft. (Illustration oben: Balinesische Szene mit Kunti und ihrem Gatten Yudhistira; links Draupadi von den Pandava)
Schon in dem Buch von 1976 wird beklagt, dass das Schattentheater sich auf dem Rückzug befindet und nur mehr auf Java und Bali gebräuchlich ist. Heute, da es in den meisten Dörfern sicher Strom und Fernsehen gibt und das Smartphone auch dort genutzt wird, düfte das Schattentheater ein Schattendasein führen und bald ganz verschwinden — wie viele liebenswerte Kunstformen, wie Gebräuche, Sprachen und Dialekte. Die Welt wird allmählich konform, und die meisten denken bald ähnlich — und nur an sich.