Ono no Komachi
Über Japan wollte ich für heute etwas machen und anschließen an die herrlichen Werke von Utagawa Hiroshige. Vielleicht etwas über Gedichte, in denen Berge vorkommen? Doch dann drängte sich mir der Name Ono no Komachi auf, eine schöne Frau und Poetin aus dem 9. Jahrhundert. Stellen wir die Dame vor.
Ono no Komachi lebte von 825 bis 900. Sie hat sogar einen Wikipedia-Eintrag, und darin steht die folgende Episode:
Eine Legende über eine Beziehung mit dem hochstehenden Höfling Fukakusa no Shosho berichtet, Ono habe ihm versprochen, dass sie seine Geliebte würde, wenn er sie hundert Nächte lang besuchen würde. Fukakusa no Shosho besuchte sie jede Nacht bis auf die letzte, in der er abgehalten wurde. In seiner Verzweiflung wurde er krank und starb. Als Ono davon erfuhr, wurde sie von Trauer überwältigt.
Berühmt wurde Ono no Komachi durch ihre Schönheit, ihre Liebe zum Luxus, ihren Stolz, ihre Zerbrechlichkeit und schließlich auch durch die Bitterkeit ihrer letzten Jahre. Einmal, im Jahr 866, soll in einer Periode langer Dürre ihre Verskunst den Himmel geöffnet haben, nachdem alle Gebete nichts gefruchtet hatten.
Ono no Komachi setzte gezielt Wörter ein, die mehrere Bedeutungen hatten, und so besteht jedes Gedicht eigentlich aus mehreren Versionen. Das Japanische ist eine Silbensprache, die auf komplexen Ideogrammen (Schriftzeichen) beruht, die neu kombiniert (in einem neuen Kontext) etwas Anderes bedeuten können.
Ich habe auch auf eine Anthologie der klassischen japanischen Poesie zurückgegriffen, die mir auf Französisch vorliegt. Was nun kommt, können allenfalls Annäherungen an das Werk von Ono no Komachi sein. (Ich dachte beim Schreiben auch an meinen Artikel über die altgriechische Lyrikerin Sappho.) Einige ihrer Kurzgedichte, von mir in Reim gebracht:
Hana no iro wa
Utsuri ni keri na
Itazura ni
Waga mi yo ni furu
Nagame seshi ma ni.
Der Blüte Tönung ging davon
in Fluten starken Regens;
Und auch mein Charme, was ist er schon,
verblasst zusehends.
Sie blühten beide, leider, vergebens.
♥
Weil ich dachte an ihn,
bevor der Schlaf mich übermannt‘,
war es gewiss, dass er mir erschien.
Es war ein Traum, und hätt‘ ich’s erkannt,
wie gern wär ich geblieben in jenem Land!
♠
Die Herbstnächte
sollen lang sein, sagt man.
Wenn man sie mit dem Geliebten verbrächte,
mit Reden und Kosen dann und wann,
wie rasch bräche der Morgen an!
♣
Ihn zu sehen,
geht diese Nacht nicht, kein Mittel man kennt.
Ich erwache mit Flehen.
Durch meine Brust ein Feuer rennt,
das mein Herz verbrennt.
♦
Mein Herz ist der Grund,
dass ich es unternahm und ging
auf jenes unsichere Boot, ganz wund.
Und kein Tag verging
an dem ich nicht durchnässt auf ihm hing.
Die Illustrationen: Oben Kijomizu komachi, von Eizan Kitukawa (1787-1867), ca. 1804-1818 entstanden; Mitte San kijomizu komachi, von Torii Kiyomasu (aktiv von 1720 bis 1760); unten Kayoikomachi no mitate von Eizen Ikeda (1740-1848). Ono no komachi blickt nach rechts.
Wie immer Dank an die Library of Congress, Wash. D. C., ohne deren Bildbestand manipogo ärmer wäre.