Die Helfer (4): auf hoher See

Nun kommen wir zu drei Beiträgen mit Geist-Helfern auf hoher See, entnommen meinem 2009 begonnenen Manuskript Geister und Schiffe und Geisterschiffe. So war die Arbeit wenigstens zu etwas nütze. Ich habe ja einmal fünf Jahre in Hamburg gelebt und die Seefahrt schätzen gelernt. Allerdings sind Seeleute länger auf ihren Schiff als Flieger in ihrem Flugzeug; jene sind irgendwie sesshaft (wie Radfahrer) und häuslich (Radfahrer nicht).

Die berühmteste Geschichte stammt von Joshua Slocum, der mit seiner „»Spray« von April 1895 bis Juli 1898 die Welt als erster Einhandsegler umrundete. Er wurde 1844 geboren und verschwand im November 1909 auf dem Atlantik. Erst 1935 erschien sein Buch Sailing around the World, das 1937 unter dem Titel Erdumseglung – ganz allein! bei Brockhaus in Leipzig verlegt wurde. Slocum verließ mit seinem Schiff die Azoren. »Der Wind blies hart«, schreibt der Seemann, legte aber noch zu, und im Südwesten stand eine schwere Wand. Er hatte »alle Reffs ausgeschüttet«. Leider hatte er Pflaumen und Käse gegessen, was ihm Magendrücken bescherte und ihn in die Koje zwang. Er schaut wieder hinaus:

Ich blickte zum Niedergang hinaus und sah zu meinem großen Erstaunen einen gewaltigen Mann am Ruder stehen. Seine harte Hand umspannte die Speichen des Rades und hielt es wie einen Schraubstock. Seine Kleidung war die eines fremden Seemannes; er trug eine rote Kappe, die über sein linkes Ohr herunterhing; sein Gesicht war von einem struppigen schwarzen Backenbaert umrahmt. »Señor«, sagte er, indem er seine Mütze abzog, »ich bin nicht gekommen, um Ihnen etwas zuleide zu tun.« Er wolle ihm helfen. Er sei einer aus Kolumbus’ Mannschaft, der Steuermann der Pinta. »Bleiben Sie ruhig liegen, Señor Kapitän, ich will Ihr Schiff heute Nacht führen.« Ich dachte, was für ein Teufelskerl er wohl war, so viel Segel stehen zu lassen. Und wieder, als hätte er alles gehört, erklärte er: »Drüben ist die Pinta voraus, wir müssen überholen. Segel hoch, Segel hoch! Vale, muy vale!«

Slocum legt sich nieder, während der Geist ein wildes Lied singt. Als der Einhandsegler wieder erwacht, ist es draußen ruhig. Das Deck ist schneeweiß; alles ist über Bord gewaschen worden. Und er sieht, dass die Spray immer noch auf ihrem Kurs dahinrast wie ein Rennpferd. 90 Seemeilen hat das Schiff in der Nacht zurückgelegt. »Ich fühlte mich dem alten Steuermann gegenüber zu großem Dank verpflichtet.« Der Sturm lässt nach, die Sonne zeigt sich. Und auch der Geist zeigt sich noch einmal: im Traum. Er sagte, er wolle ihm gern öfter helfen; er tue es aus Abenteuerlust. Zog seine Mütze und verschwand, wie er gekommen war. »Ich wachte sehr erfrischt auf und hatte das Gefühl, dass ein Freund und sehr erfahrener Seemann bei mir gewesen war.«

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Der Franzose Camille Flammarion (1842‑1925) war ein berühmter Astronom, bevor er sich in späteren Jahren ganz der Parapsychologie widmete und drei Bände über den Tod veröffentlichte (La mort et son mystère). Er konnte aus einer Sammlung von 4800 Briefen aus 60 Jahren (1860‑1920) schöpfen, die ihm Zeugen zugesandt hatten. Hier nun zwei Fälle auf hoher See.

Im ersten rettet ein toter Vater das Leben seines Sohnes und der Mannschaft eines Schiffes. Der Marinekapitän F. Scotti hatte einer Zeitschrift in Palermo 1911 einen Brief zugesandt. Sein Vater habe 1837 als Kapitän die Brigg Notre-Dame de Grâce mit einer Ladung Getreide von Marseille nach Brindisi bringen wollen. Er hielt nach einem Licht Ausschau, das den Hafen ankündigen würde. Der Wind blies unbarmherzig, die Wellen schüttelten die Brigg, bedeckten sie mit Schaum und marterten ihre Flanken. Plötzlich ruft jemand vom Heck, der Kapitän solle schnell kommen. Seit Minuten rufe jemand »Puggia, puggia!« Das ist neapolitanischer Dialekt und heißt, man solle das Schiff vom Wind wegdrehen. Scottis Vater hört es vom Steuerruder gleich selbst: »Puggia, puggia, puggia!« Er schaut herum, sieht niemanden. Die Stimme wiederholt das Kommando, dieses Mal ganz sonor und deutlich. Nun schreibt Kapitän Scotti:

Und da war mein Vater plötzlich in der Lage, die Stimme zu erkennen, das Timbre und die Kadenz und den Ton … die Stimme seines Vaters, mit dem er seit dem Alter von neun Jahren gesegelt war. Sogleich schrie er den Befehl und warf selber das Ruder herum, während die Mannschaft ihm beistand.

Die Brigg neigt sich zur rechten Seite und zerschneidet die Wellen, stürmt voran wie ein Pferd, dessen Zügel gelockert wurden. In selben Augenblick erleuchtet ein Blitz die Backbordseite, aus der der Wind gekommen und wohin das Schiff vorher gesegelt war, und eine fassungslose Mannschaft sieht in diesem Licht vor sich, wie sich die Wellen an den Felsen der Küste brechen. Die Kollision wurde vermieden.

Ω χ Ω

Der russische Parapsychologe Alexander Aksakoff (1832‑1903) hörte unsere dritte Geschichte von einem gewissen Kapitän Drisko. 1882 stand sie in der Zeitschrift Light. 1865 war die Harry Booth unter dem Kommando Driskos von New York zur Inselgruppe Dry Tortugas bei Florida unterwegs. Der Kapitän:

Da auf der Brücke alles in Ordnung war, ließ ich mich von meinem zweiten Mann vertreten und begab mich in meine Kabine hinab, um mich ein wenig auszuruhen. Um zehn Minuten vor elf hörte ich deutlich eine Stimme, die mir sagte: »Geh auf die Brücke und lasse ankern.« – »Wer bist du?« fragte ich und stürzte zur Brücke. Ich war verblüfft, einen Befehl erhalten zu haben. Oben war alles in Ordnung. Niemand hatte jemanden gesehen, der in meine Kabine spaziert wäre.

Kapitän Drisko geht wieder hinunter und meint, sich getäuscht zu haben.

Um zehn Minuten vor Mitternacht betrat ein Mann meine Kabine, der einen langen grauen Überzieher trug, einen breiten Hut und mir fest in die Augen schaute. Er befahl mir, auf die Brücke zu gehen und den Anker werfen zu lassen. Er entfernte sich in aller Ruhe, und ich hörte seine schweren Schritte, als er an mir vorüberging.

Drisko ist fassungslos und reagiert nicht; dann bekommt er zum dritten Mal Besuch des Mannes, der ihm in noch herrischerem Ton befiehlt, endlich auf die Brücke zu gehen und ankern zu lassen.

Und dann erkenne ich endlich in dem Besucher meinen alten Freund Kapitän John Burton, mit dem ich in jungen Jahren Reisen unternommen und der mir gegenüber großes Wohlwollen gezeigt hatte. Sofort rannte ich zur Brücke und gab Befehl, die Segel zu reffen und den Anker zu werfen. Das Wasser war hier nur noch 50 Klafter tief. Damit schafften wir es gerade noch, nicht auf den Klippen der Bahamas zu zerschellen.

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