Militärradfahrer

Fahrräder sind lautlose, friedliche Fortbewegungsmittel. Mit Waffen sollten sie nichts zu schaffen haben. Und doch kamen Fahrradkompanien in Kriegen zum Einsatz. Auf das Thema brachten mich zwei Sätze in dem Roman Wenn sie morgen kommen (1977) des St. Gallers Artur Honegger (1924-2017). Da dachte ich an die legendäre Schweizer Fahrradtruppe, die immer einsatzbereit war und vermutlich keinen Menschen getötet hat.

Beim Stichwort Fahrrad merke ich auf. So las ich in dem Roman, der die Mobilmachung der Schweizer 1940 angesichts eines drohenden deutschen Überfalls beschreibt, auf Seite 20, was Major Hilber erlebt:

Auf dem Milchbuck wurde er von einer Radfahrerkompagnie aufgehalten, die aus einer Seitenstraße über die Hauptstraße flitzte.

Und auf Seite 193:

Oberst Turtschin … stand mit seinem Pferd vor dem kleinen Dörfchen Ricken und bemerkte eine Kavallerieschwadron, die von Uznach her den Berg herauf kam. Dahinter keuchten Artilleriepferde mit den Kanonen über Feldwege. Er hörte das Rasseln der Beschirrungen, das Fluchen der Fahrer und sah weiter drüben, wie eine Radfahrerkompanie lautlos in Stellung ging.

 

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Militärradfahrer beim Schweizer Velotag 2009, als es ihre Truppe schon nicht mehr gab

Das habe ich schon richtig abgeschrieben. Erst schreibt er Kompagnie, dann Kompanie, beides geht ja. Das Keuchen der Armeepferde hörte man damals noch. 1972 wurden dann sogar in der traditionsbewussten Schweiz die Kavallerie-Einheiten aufgelöst (cavallo = das Pferd; und: der Caballero!). Kein Pferd mehr. Die Radfahr-Kompanien drehten den hochnäsigen Reitern eine Nase und mussten erst 2003 dran glauben, anlässlich einer Armee-Reform.

1888 hatte die stets arrogante Kavallerie sich über die neuen radelnden Meldefahrer beschwert. Sie seien zu wenig »discipliniert«:

Dank  der Schnelligkeit ihres Stahlrosses waren unsere Radfahrer meist sehr rasch den Blicken ihres Obersten entschwunden und hatten sich in den Wirtshäusern eingenistet, aus denen sie nicht so leicht wieder herauszubringen waren.

Velotag09 0861911 gehörten die Schweizer Radfahrer mit einer Kompanie von 900 Mann noch zur Infanterie, also zu den Fußtruppen. 1914 rückten 14 Radfahrerkompanien ein, und zehn Jahre später hatte die Armee 6315 Radfahrer-Soldaten in 26 Kompanien. 1936 erfolgte die Beförderung zur Kavallerie: 6 Bataillone zu je 3 Kompanien. Das Fahrrad hatte ja immer dem Pferd Konkurrenz gemacht; der Schritt war nur logisch. 1939, bei Kriegsbeginn und zur Zeit des Romans, betrug der Sollbestand 9000 Mann; Sollbestand, weil nicht alle immer im Dienst waren, sondern viele auch  einberufen werden mussten. 1962 wurden die Radfahrer-Landwehrtruppen jedoch aufgelöst. 1965 hieß es, Radfahrerverbände kämpften grundsätzlich wie Infanterieverbände, deren Feuerkraft die ihrige entspreche. Optisch schön aufbereitet ist das alles in dem Internet-Artikel Die Militär-Radfahrer-Truppe. (Illustration rechts: Militärradler ohne Rad bei der Verpflegung. Das war auf dem Velotag 2009 in Arbon am Bodensee)

Und dann sollte man, wenn es einen interessiert, noch den Wikipedia-Artikel Radfahrtruppen lesen, der die deutschen Radfahrer und die italienischen Bersaglieri erwähnt, die Räder erhielten und im Mai 1915 in den Krieg eintraten. Sie mögen durchaus Menschen getötet haben. Auch im Fernen Osten kam das Rad für Transporte im Krieg in Einsatz.

 

 

 

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