Entladungen
In der christlichen Mythologie warten wir nun, am Ende der Adventszeit, auf das Licht, das Christus ist: Er verkörpert die spirituelle Dimension des Lichts, das am Anfang der Schöpfung stand. Licht ist ein elektromagnetisches Phänomen, und letztlich sind alle unserer Körperfunktionen elektrisch. Jedes Lebewesen sendet Strahlung aus. Zwei Pole, eine Begegnung: und eine Entladung, die sich stetig fortsetzt und das Universum zu einem erregten, pulsierenden Organismus macht. Mann und Frau, Plus und Minus, Spannung und Entladung: Das treibt uns an.
In meinem Keller stieß ich auf eine Diplomarbeit meines ehemaligen Mitschülers Günter Decker mit dem unverfänglichen Titel Aufbau einer Apparatur für Hochspannungsphotographie und ihre Anwendung, die 1988 entstand. Man musste »esoterische« Themen immer gut tarnen, damit man sie durch die Zensur brachte; die Wissenschaft kennt keinen Spaß. Es geht natürlich um eine Art Kirlian-Fotografie: die Veranschaulichung eines elektrischen Feldes um uns herum. Valentin Kirlian fotografierte Finger von Menschen und Blätter und bemerkte Muster an den Konturen seiner Objekte/Subjekte, elektrisch wirkende Muster. Auch Harold Saxton Burr, ein Engländer, entdeckte Felder um Bäume und Menschen herum, die er das L-Feld (oder Lebens-Feld) nannte. (Abbildung: aus der genannten Arbeit von Günter Decker: ein Finger bei verschiedenen Spannungszuständen)
Um Finger herum entsteht ein Leuchtkranz, und er ist »sozusagen der Bioplasmakörper, der Astralkörper, die Korona oder die Aura«, schrieb ich 2017 in meinem Buch Elektrosmog. Die Korona-Entladung trete auf, wenn das Feld der Elektroden sehr inhomogen sei, also nur auf einer verhältnismäßig dünnen Schicht mit kleinem Krümmungsradius, erläutert Decker in seiner Arbeit. »Sein Glanz war wie ein Licht; Strahlen gingen von seinen Händen; darin war verborgen seine Macht«, heißt es im Alten Testament bei dem Propheten Habakuk (3,4); gemeint ist Gott der Herr, und eine andere Übersetzung lautet so: »Er leuchtet wie das Licht der Sonne, ein Kranz von Strahlen umgibt ihn, in ihnen verbirgt sich seine Macht.«
Günter Decker schrieb mir eine Widmung in seine Arbeit, als er sie mir 1993 überreichte:
Ich wünsche Dir den Erhalt Deiner Träume. Vielleicht gelingt uns die Umsetzung einiger davon?! Mit toller Aura lässt sich manches leichter bewerstelligen. — Günter.
Die tolle Aura war da, doch weniges wurde erreicht. Doch das Buch Elektrosmog wurde immerhin geschrieben, das (versteckt und getarnt) von der geheimen Elektrizität im Leben spricht. Noch ein kurzer Auszug:
Kabbalistische Gelehrte erinnern stets an den Funken in uns, das Göttliche, dem wir gerecht werden müssten. Wir seien Lichtwesen auf irdischer Pilgerschaft, angetrieben vom göttlichen Funken. Wir sollten uns im Göttlichen Licht bewegen und die Kraft der Liebe weitergeben, die wie unser Bewusstsein aus dem »inneren Funken Gottes« kommt. (…)
Auf Michelangelos berühmter Darstellung »Die Erschaffung des Menschen« an der Decke der Sixtinischen Kapelle im Vatikan, 1512 vollendet, liegt der muskulöse Mensch (männlich) lässig da und streckt die Hand aus, und von oben reckt ihm Gottvater (männlich) seine Rechte entgegen, und zwei Finger begegnen sich … fast. Auch da gibt es einen Zwischenraum, eine »Funkenstrecke«, die in der nächsten Sekunde, meint man, überbrückt werden wird.