Gewaltlos die Kaputtmacher stoppen
Um die eigene Haut zu retten, sind die Menschen zu vielen Opfern bereit. Zu welchen Opfern sind sie bereit, wenn es um ihren Lebensraum geht, den Planeten? Verstehen sie, dass es da um die Haut anderer und künftiger Generationen geht? Saiten, das Ostschweizer Kulturmagazin, hat in seinem April-Heft mit dem St. Galler Autor und Aktivisten David Fopp gesprochen.
David Fopp arbeitet an der Universität Stockholm und hat unlängst das Buch Gemeinsam für die Zukunft — Fridays for Future und Scientists for Future herausgebracht. Das Interview führte Florian Vetsch. Wie könne man in der Bildung eine gerechtere Gesellschaft vorbereiten? Man müsse lernen, sagte Fopp, was es heißt, füreinander und für die Natur zu sorgen.
Der zweite Punkt ist, zu verstehen, wie dies kaputt gemacht wurde, wird und werden kann, also das Aufkommen von autoritären Charakteren und Regimes zu verstehen, das Kaputtmachen von Böden und von Menschen, die Hintergründe von körperlicher Verkrampfung und seelischem Sich-Zurückziehen etc. Und drittens verstehen, wie man vom einen zum andern kommt. Wie man das, was kaputtmacht, stoppt ohne Gewalt …
Im September 2018 versuchte David Fopp, die Bewegung Scientists for Future zu initiieren, und es gelang. 20.000 Wissenschaftler schlossen sich einen Aufruf an, und viele deutsche Forscher beteiligten sich. Es sei aber zunächst noch eine Graswurzelbewegung ohne Hierarchie. Was Klimagerechtigkeit bedeute, wurde Fopp gefragt.
Wir müssen innerhalb von zehn, fünfzehn Jahren praktisch die ganze Gesellschaft umstellen, weltweit, weil wir die Emissionen jährlich um mehr als 7 Prozent mindern müssen, in reicheren Ländern um viel mehr, wobei die Schweiz nicht einmal die Hälfte dafür tut. (…) Die Klimakrise gibt es ja auch, weil der globale Norden die Natur und viele Menschen im Süden ausgenutzt hat und immer noch ausnutzt. Man muss sich nur anschauen, wo die acht Millionen Menschen leben, die jährlich an der Luftverschmutzung durch fossile Brennstoffe sterben, beziehungsweise wem die fossilen Riesenkonzerne und Finanzierungsinstrumente dahinter gehören.
Dann skizziert der St. Galler Autor die Lage und das, was geschehen könnte.
Die Erderwärmung geschieht in einem irren Tempo, überall werden die ganze Zeit neue Rekorde gemessen. (…) Dann ist das Arktiseis ganz weg, in den Sommern mit verheerenden Folgen für den Jet-Stream und den Golfstrom, der abnimmt, wodurch das Wetter extremer wird. Dadurch gehen die Böden kaputt, die Regenwälder trocknen aus, werden zu Savannen, das Auftauen des Permafrosts setzt gigantische Mengen an Methan frei, Millionen von Menschen sind vor allem im globalen Süden von verheerenden Dürren, Hitzewellen und Fluten betroffen.
Mit dem, was derzeit geschieht (oder nicht geschieht), könne man nicht zufrieden sein. David Fopp:
Unsere Regierungen erfinden Schlupflöcher, so dass de facto der CO2-Ausstoss von uns in der Schweiz, Schweden etc. gar nicht nennenswert sinkt. Geschweige denn in China, Saudiarabien oder Deutschland. Wir müssen uns als Weltgemeinschaft zusammenschliessen. Und zwar jetzt. Es ist ernst. Sehr viel ernster, als man sich das vorstellen kann.