37: Werkgespräche

Das 37. Heft der Kritischen Ausgabe Bonn heißt Werkgespräche und enthält Interviews mit Schriftstellern deutscher Sprache. Da sind auch ziemlich bedeutende dabei. Das vorletzte Heft, Nummer 35, habe ich 2018 noch vorgestellt, 2019 ist mir entgangen, da hieß das Heft Lauf los, Buch! Mal sehn, was die Welt aus dir macht! Und im vergangenen Jahr musste eine Pause sein, wegen des Virus und der digitalen Universität.

2021-11-14-0002Ich bin nun von der Literatur weit weg. Fakten interessieren mich mehr als Fiktionen, zumal Fakten irgendwie auch Fiktion sind, während eine Fiktion nicht zu einem Faktum werden kann (aber sie kann, wenn sie gut gemacht ist, Allgemeingut werden). Die Geschichte (der Plot) ist nicht das Entscheidende, denn alles ist schon erzählt worden, sondern die Darstellung ist es. »Die Sprache ist der Held eines Romans«, hat Roland Barthes einmal gesagt. Romane werden heute noch gelesen, ja. Das ist erfreulich.

Vor ein paar Jahren hätte mich das noch rasend interessiert, ich hätte mich 2021-11-14-0003gleich an die Lektüre gemacht, aber nun wollte ich gar nicht unbedingt wissen, wie andere arbeiten. Ein Autor sagte, das war witzig, er arbeite eigentlich seit 40 Jahren unter Corona-Bedingungen: totaler Rückzug. Ein anderer sagte, er nehme die Stoffe radikal aus seinem privaten Leben. (Rechts eine der Befragten, die japanische Komponistin Mayako Kubo)

Die (von Studenten der Uni Lüneburg interviewten) Schriftsteller und Künstler sind die folgenden, und ihnen folgt jeweils die Überschrift: ein Zitat aus dem Gespräch, das schon Programm ist:

Marina Frenk: »Eigentlich, finde ich, ist Schreiben nichts weiter als ganz, ganz viele Fragen beantworten«
Tobias Hülswitt: »Das war wie der Eintritt in ein anderes Universum, eine andere Zeit, ein anderes Selbst«
Tobias Stutz: »Man hat als Künstler ja gar keine andere Wahl als weiterzumachen«
Michael Rotschopf: »Wenn ich antrete, trete ich mit meiner vollen Kraft an«
Thomas Meinecke: »Mein Leben ist ›country living, urban thinking‹«
Mayako Kubo: »Alles, was ich sagen möchte, sage ich durch die Musik«
Stefan Slupetzky: »Das ist immer mein persönliches Ziel: Dass ich etwas schreibe, das Fragen aufwirft, die uns alle angehen«
Arne Rautenberg: »Die Poesie ist die Poesie. Und alles andere ist alles andere«
Christoph Hein: »Was ich erlebt, erfahren, auch durchlitten, gesehen, gehört habe, das ist das Material, mit dem ich arbeite«.

Der Förderverein der K. A. (Kritische Ausgabe) »hatte beschlossen, die Herausgabe dieses Heftes in die Hände zweier ehemaliger Chefredakzteure zu legen, die nicht ganz zufällig den Verlag leiten, der für den Vertrieb dieser Zeitschrift zuständig ist«, heißt es im Vorwort. Das sind Benedikt Viertelhaus und Marcel Diel. In ihrem (erwähnten) Verlag Dreiviertelhaus erschienen dieses Jahr neu die Erzählung Das Erlebnis des Tischlers Jossi in dem wunderlichen Hotel P. von Dietmar Hübner. Neben den Werkgesprächen, also dem Heft der K. A., sind noch zwei Werkbücher von Crauss erschienen, dem 1971 in Siegen geborenen Poeten und Multimediakünstlers. Die Titel kommen gut:

2021-11-14-0004Im ersten Buch (links) geht es um selbstbewusstes Schreiben, im zweiten darum, genial aus fremden Quellen zu schöpfen, denn man sieht sich »einer noch nie dagewesenen Masse an verfügbarem Text« gegenüber: »Die ganze Welt ist Text«, lautet Crauss‘ Motto.

Kritische Ausgabe
Zeitschrift für Literatur im Dialog, N. 37, 23. Jahrgang 2021
9 Euro
Verlag Dreiviertelhaus GbR
Hospitalstraße 3, 65549 Limburg, Internetseite hier

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