Der Wert des Gesprächs

Der Titel ist eine Überschrift in dem relativ neuen Buch Medizin ohne Moral von Erich Freisleben, der Allgemeinarzt im Berliner Wedding ist und schon die 70 überschritten hat. Das Buch ist eine Fundgrube; wir erfahren, was sich in der Medizin geändert hat, wie die Medizin der Zukunft aussehen könnte, zeigt uns aber auch, dass wir neben Sauerstoff auch Liebe brauchen und Anteilnahme.

Seit 1996 können Hausärzte ihre Gespräche mit Patienten nur mehr eingeschränkt abrechnen. Dabei ist das Zuhören und Sich-Orientieren über die Lebensumstände des Patienten unverzichtbar, denn man will möglichen psychosomatischen Ursachen auf die Spur kommen.

Gerade diese Gespräche fordern wegen ihrer großen Konsequenzen höchste Empathie, Aufmerksamkeit, psychologische Konsequenz und Reife. Niemals darf man die stark suggestive Wirkung seiner Äußerungen selbst für den aufgeklärtesten Patienten unterschätzen. … Und die Aussage, es gäbe keine Heilung, steht aus meiner Sicht einem Arzt überhaupt nicht zu.

service-pnp-anrc-18300-18330rEine 45-jährige Frau hatte Brustkrebs, Freisleben behandelte sie 5 Jahre mit Mistelextrakten, es wurde langsam besser … doch dann trat die Krankheit wieder auf. Die Frau zeigt dann »inneres Wissen«: Sie habe den Kampf gegen einen konkurrierenden Kollegen aufgenommen, das habe ihr nicht gutgetan.(Illustration: Krankenschwester spricht mit Patienten im Militärkrankenhaus Neuilly, 1918, United States Arma Signal Corps, Dank an Library of Congress, Wash. D. C.)

Ein Mann erkannte, weshalb seine Gürtelrose plötzlich wieder aufgetreten war: Er hatte einen Schock erlebt, seine geschiedene Frau habe ihn vor seinem Sohn gedemütigt. — Eine 30-jährige Frau war allergisch — gegen ihre Katze. Das konnte sie nicht akzeptieren. Sie war ohne viel körperlichen Kontakt aufgewachsen und brauchte ihr Tier zum Kuscheln. Die Botschaft der Allergie sei, sagte der Arzt: »Finde Kontakt zu lieben Menschen und werde damit glücklich.«

Dr. Freisleben meint:

Die tieferen Themen vieler Krankheiten ähneln sich: das Gefühl, sich sein Lebensrecht verdienen zu müssen. Die Gefährdung des inneren Selbstverständnisses. Ohnmachtsgefühle. Frühkindlicher Emotionsmangel. Verlust von Verwurzelung. Fehlende emotionale Wärme. Einsamkeit. Der Verlust von geliebten Menschen. Existenzielle Bedrohung.

Und er überlegt:

Vielleicht ist es nicht verwunderlich, dass die Herzerkrankungen in einer Zeit zunehmen, in der die Liebe zuwenig Raum findet, materielles Streben an ihre Stelle tritt und Ersatzgefühle wie Machthunger und Hass zugenommen haben. Es gibt sogar eine plötzlich auftretende Herzmuskelschwäche, die allein durch den Verlust einer liebenden Beziehung entsteht.

 

Dazu noch eine Geschichte aus alter Zeit: Sie ist von dem Perser Rumi (1207-1273), aus seinem Buch Matnavi. Ein König verguckt sich in eine schöne Magd und nimmt sie mit auf sein Schloss. Doch das Mädchen wird krank und immer kränker. Die besten Ärzte geben ihr Tinkturen und Arzneien, nichts hilft. Schließlich träumt der König, der richtige Arzt werde kommen. Dieser Arzt setzt sich zu dem Mädchen und fragt es über sein früheres Leben aus. Während die Magd spricht, befühlt er ihren Puls, und als sie Samarkand erwähnt und einen gewissen Goldschmied, wird ihr Puls schneller, und sie errötet. Der König lässt den Goldschmied holen, und 6 Monate später ist das Mädchen gesund.

 

 

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