Rettung vor dem Sperrmüll

Michael Faiss schrieb mir zu vergangenem Weihnachten ein paar Gedanken, die mit Fahrrädern und seinem Museum Scheunenfund zu tun haben. Weil es im Januar auch ein Fahrrad-Beitrag sein soll und vieles bei manipogo zu problembelastet scheint, veröffentlichen wir eine Seite aus Michaels Erinnerungen. Er weiß: Leute verschenken ein Rad, das für den Sperrmüll zu schad‘.  

Michael schrieb:

Peugeot power 2010Mit meiner langjährigen Leidenschaft des Sammelns von historischen Fahrrädern und des Ausstattens unseres Museums lernte ich sehr viele wundervolle Menschen kennen. Mit vielen von ihnen bin ich seit Jahren freundschaftlich verbunden.

Es gibt dann Telefonanrufe wie: »Das Rad ist eigentlich zu schade für den Sperrmüll. Sie können es holen und damit machen, was Sie wollen.«  Das ist eine Ansage, die mir keine Schwierigkeiten bereitet.

Dann gibt es aber Anrufe, die mir was erzählen von einem Erbstück der Oma oder des Opas. Sie wollen es in gute Hände abgeben. Und in den nächsten fünf Minuten erfahre ich, wie der Opa das gute Stück gepflegt hat und wo die Oma mit dem Fahrrad überall war. Manchmal höre ich auch auch sehr traurige Dinge, echte Schicksalsschläge. Auf meine Frage, wie denn der Zustand des Stücks sei, höre ich fast immer das Gleiche: »Sieht noch ganz ordentlich aus, müsste fahrbereit sein, vielleicht einen neuer Schlauch drauf, dann geht’s los.«

Und dann die Überraschung, wenn ich die Familie besuche und das edle Teil vor mir steht. Bei sehr vielen erkenne ich mehr Rost als Lack. Das Rad ist über die Jahre wild umgebaut worden und der technische Zustand – ein Desaster! Am Anfang meiner Sammelei war ich oftmals sichtlich enttäuscht.

Mittlerweile denke ich ganz anders darüber. Ich bin interessiert, möchte auch mehr von dem Fahrrad wissen. Und dann werde ich meistens zu einem Kaffee eingeladen und erfahre sehr viel über die Familie, die Zeit und die Orte, als das Fahrrad noch mit seinem ehemaligen Besitzer unterwegs war. Oftmals bekomme ich dann noch ein Fotoalbum präsentiert.  So was ist grandios und freut mich sehr!

Und ich meine, auf die Frage nach dem Zustand des Rades kommen Erinnerungen hoch über Fahrradausflüge mit sehr guten Freunden, die schon lange tot sind, über die tollen Eltern, wie sie schwierige Zeiten gemeistert haben oder die Urlaubsfahrten mit ihnen, als die Erzähler selber noch Kinder waren. Diese Erinnerungen löst das alte Fahrrad aus, das seine eigene Seele hat. Ich kann sowas nicht wegwerfen.

In diesem Sinne, euer Michael  

 

20210823_162111

 

Nun mein Beitrag

Das werden oft einfache Räder sein wie das meiner Nichte Franziska, fotografiert im August 2021. Sie mag Grün, und sogar ihr Rucksack hat die dazu passende Farbe! Ein(e) Hercules. So sahen die Räder aus, die man als Kind früher geschenkt bekam: der erste Drahtesel. Ich kam auf das Bild, weil Michael den früheren Fabrikanten Heiner Schweickhardt aus Tübingen erwähnt mit seinem Bauer-Rad, das er 1952 zur Konfirmation bekam. Das ist auch grün und hatte eine Figur auf dem vorderen Schutzblech.

Da steigen bei mir auch Erinnerungen auf. Ich erhielt mein erstes Rad 20 Jahre später, vielleicht 1971, als ich 14 Jahre alt war. Es hatte einen roten Rahmen und besaß schon Torpedo-Dreigang! Ich weiß noch, wie ich es im Flur auf dem Teppich ständig auf- und abschob, weil ich es kaum aushielt, nicht gleich eine Probefahrt machen zu können, aber ich weiß gar nicht, ob ich des Radelns mächtig war.

330px-Lex_Barker_Karen_Kondazian_May_1973Vermutlich habe ich mit diesem Rad 1973 die echte erste Reise meines Lebens unternommen. Ich durfte gemeinsam mit meinem Cousin aus Landsberg nach Wangen im Allgäu fahren. Ich weiß nicht mehr, wie wir das taten; nur noch weiß ich, dass ich bei den Bekannten dort einen Stapel Bravo-Hefte durchblätterte, die für 15-Jährige gemacht sind. An Lex Barker, der in ihnen oft vorkam, erinnere ich mich noch, so wollte man einmal werden. Keine Chance: Der Amerikaner war 1,93 groß und muskulös. An den Bravo-Starschnitt mit ihm erinnere ich mich auch noch. Und ich glaube, ich bewarb mich mit knapp 30 Jahren auf eine Anzeige hin als Bravo-Chefredakteur. Da hatte ich mich falsch eingeschätzt, aber ein Scheitern blieb mir erspart: Ich bekam den Job nicht.

 

 

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.