Perfekte Weisheit
Erleuchtung ist das Ziel des Buddhismus, auch wenn sie vielleicht nur einen Augenblick dauert. Dann aber weiß man alles. Im Christentum kommt der oder die Heilige dem erleuchteten Menschen vielleicht am nächsten, doch so einen Moment des Erkenntnis-Blitzes wie bei den Buddhisten kennt keine andere Weltreligion, allenfalls der Kern der verbreiteten Todeserfahrungen (NDE) sind mit ihm vergleichbar.
Ich blättere gern in den 366 Lesungen aus dem Buddhismus von 2003 herum, die Teil einer Serie sind: Da gibt es auch 366 Lesungen jeweils aus Hinduismus, Christentum, Taoismus & Konfuzianismus sowie Islam. Das Judentum haben sie vergessen (oder einfach unter das Christentum gebucht). Wir lassen uns die Erleuchtung einmal näher erläutern. Der Autor, Hui-neng, war ein Meister des Chan-Buddhismus und lebte von 638 bis 713. (Rechts ein Bild seiner Mumie.)
Ihr guten Leute, perfekte Weisheit, die in den Seelen aller lebenden Wesen vertreten ist, mag mit Regen verglichen werden: Die Feuchtigkeit des Regens erfrischt jede Pflanze und jeden Baum, jedes Tier und jeden Menschen. Perfekte Weisheit mag mit Flüssen und Strömen verglichen werden: Sie alle erreichen schließlich das Meer, wo sie sich zu einer einziger Wesenheit vereinigen. (…)
Wenn dichte Wolken den Himmel bedecken, kann das Sonnenlicht nicht die Erde erreichen; doch wenn die Wolken fortgeblasen werden, erstrahlt die Helligkeit der Sonne überall. Die Gedanken vieler Menschen werden durch Vorurteile und Irrtümer verdunkelt, die verhindern, dass die Erleuchtung die Menschen erreicht. Doch wenn diese Vorurteile und Irrtümer fortgeblasen werden, werden sie Erleuchtung erlangen.
Die perfekte Weisheit ist nicht auf unterschiedliche Weise bei dem einen oder andern vorhanden. Die Menschen unterscheiden sich nur darin, ob sie erleuchtet sind oder verblendet. Diejenigen, die verblendet sind, glauben, dass sie perfekte Weisheit erlangen können, indem sie religiöse Rituale befolgen. Aber diejenigen, die erleuchtet sind, legen Ritualen keine Wichtigkeit bei. Sie wissen, dass Freiheit von Vorurteilen und Irrtümern die Bedingung ist, um perfekte Weisheit zu erreichen. (Hui-neng 2)
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Für einen reinen Geist sind moralische Regeln unnötig. Für einen erleuchteten Geist sind spirituelle Übungen überflüssig. (…)
Wenn du Geduld hast, kannst du Feuer machen, wenn du ein Stück Holz lange reibst. Wenn du auf diese Weise Geduld hast, kann das Feuer der Erleuchtung entfacht werden, indem du über die Wahrheit nachdenkst. (…) Im tägichen Leben sollte man stets Altruismus praktizieren. Aber Werke der Nächstenliebe führen nicht zur Erleuchtung. Der Pfad zur Erleuchtung befindet sich innerhalb des Geistes. Es gibt keine Erleuchtung außerhalb des Geistes. Diejenigen, die diese Worte verstehen, werden Seligkeit empfinden. (Hui-neng 3)
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Wenn du die perfekte Weisheit für einen einzigen Augenblick wahrmachst, dann kennst du die ganze Wahrheit. Und perfekte Weisheit kann nur einen Augenblick lang wahrgemacht werden.
Diejenige, die meinen, dass perfekte Weisheit durch den Glauben an gewisse Doktrinen wahrgemacht werden kann, werden die perfekte Weisheit nie wahrmachen. Diejenigen, die meinen, dass perfekte Weisheit durch das Studium externer Objekte wahrgemacht werden kann, werden die perfekte Weisheit nie wahrmachen.
Nur jene, die in sich hineinblicken auf der Suche nach perfekter Weisheit, werden sie wahrmachen (realize). (Hui-neng 10)