Kampf und Eroberung

Das Vorige muss noch komplettiert werden durch einen Ausflug in die Sprache, die ja das Denken widerspiegelt. In unserer Zivilisation geht es ziemlich kriegerisch zu: Gekämpft wird andauernd gegen das Virus und gegen den Krebs, und immer wieder rüstet man sich gegen neue Feinde, ob real oder imaginär. Dabei sollten wir doch unsere Feinde lieben! 

In der Komödie Die schlauen Frauen, die manipogo am 8. März vorstellte, erinnert sich Chrysale an eine Reise nach Rom, als er 28 Jahre alt war, und er sagt:

Wir belagerten die römischen Damen.
Durch Kühnheit wir zu Erfolgen kamen.

Es heiß einmal »In der Liebe und im Krieg ist jedes Mittel erlaubt«, und es war kein Zufall, dass Liebe und Krieg in einem Atemzug genannt wurden. Der Mann versucht seit Jahrhunderten die Frau zu erobern, er geht taktisch vor und startet dann Angriffe, und ist die Frau erst »sein«, gehört sie ihm, dann lässt sein Elan nach.

Unter diesem Bild in einem Buch über das Mittelalter steht einfach: Uomini (Männer).

Unter diesem Bild in einem Buch über das Mittelalter steht einfach: Uomini (Männer).

Der Fußball ist das beste Symbol für das Kriegerische in der Gesellschaft. Es geht in vielen Bereichen darum, den Konkurrenten auszustechen oder zu entmutigen, man will ja Karriere machen, und da muss man andere Karrieremacher aus dem Feld schlagen. Überall will man sich behaupten und durchsetzen, und viele wissen vieles besser, und manche können lauter brüllen als andere. Und so läuft alles in hoher Drehzahl, SPD gegen CDU, Staat gegen Rentner, Polizei gegen Demonstranten, Kritiker macht Buch nieder, jeder gegen jeden, und so kann man sich auch die Zeit vertreiben. Aber arbeiten wir nicht alle an demselben Projekt? Das haben viele vergessen.

Und nicht nur Feindschaften bauen wir auf, sondern auch Trennungen und Grenzen, die in den Köpfen sind und dann zu Sprache werden.

Im Fernsehen gibt es neben Fußball und Krimis die Quizsendungen mit ihrer aufgesetzten Dramatik, und sogar das Kochen haben die Fernsehmacher zu einer kämpferischen Darbietung umfunktioniert: Da läuft im Hintergrund eine Uhr, die Köchin im Wettbewerb arbeitet mit fliegenden Händen, und wenn der Guru das Gekochte probiert, hören wir im Hintergrund bedrohliche Musik. Das Urteil steht bevor: Wird er — wie damals der Cäsar vor den Gladiatoren — den Daumen heben oder wird er ihn nach unten drehen? Wer so beurteilt wird, sollte dem Guru die Suppe über den Kopf schütten und hocherhobenen Hauptes den Schauplatz verlassen. Doch das wäre aggressiv, so wollen wir nicht sein. Am besten schüttet man die Suppe über das Kameraobjektiv und ruft: »Guten Appetit!«

Das »Liebet eure Feinde« war wahrlich revolutionär. Das Moment der Verwirrung ist da, wenn jemand von einem, den er verfolgt hat, plötzlich geliebt wird. Es mag sein wie in gewissen asiatischen Kampfkünsten, in denen der Unbewaffnete den Gegner gegen sich anrennen und ins Leere laufen lässt, wodurch dessen Hass-Energie ihn selber zu Fall bringt. Doch wir wollen nicht lieben, um schlussendlich zu triumphieren; wir meinen es ernst, wir wollen Gemeinsamkeit und eine irregeleitete Seele aufwachen lassen und sie zur Erleuchtung bringen. Manchmal gelingt das.

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