Falsche Bewegung (V): weltweite Emotionen
Mit diesem Beitrag endet der lange Essay über Psychokinese. Demnächst muss ich dies noch mit der Quantentheorie ergänzen, die sagt, dass unsere Beobachtung die Welt erzeugt. Ich als Bewusstsein blicke hin, die Wellenfunktion bricht zusammen (in physikalischer Sicht), das Elektron ist fixiert. Unser Hiersein ist eine dauernde Einwirkung auf die Materie.
Rufen wir uns ins Gedächtnis, dass Materie nichts ist, was immer da war. Nach dem ersten Energieschub flog Strahlung hunderttausende Jahre durchs All, bevor Energie zu Masse wurde, sich irgendetwas verklumpte und Blasen bildete. Materie entsteht aus der Raumzeit, und wir wissen, dass sie aus Atomen besteht, die leer sind bis auf einen winzigen positiv geladenen Kern – eine Erbse in der Kathedrale – und ein paar negativ geladene Elektronen, die umherschwirren, mit 300 Kilometern pro Sekunde nicht einmal besonders schnell. Aber ich weiß nicht, wo genau sich das Elektron aufhält.
Wenn ich eins isoliert habe und auf einen Rundkurs sende, weiß ich auch nicht, wo es ist. Darum hat sich die Quantenphysik eine Führungswelle ausgedacht, der Schrödinger den Buchstaben ψ gab, psi (das war 1926, und erst 20 Jahre später liehen sich Thouless und Wiesner den Begriff für die Psi-Phänomene). Sie sei wie eine zitternde Wolke, und irgendwo in ihr fliege das Elektron, überall gleichzeitig, und wenn jemand misst, bricht die Wolke zusammen und wir haben das Elektron fixiert. Unsere Beobachtung war sozusagen eine Einwirkung auf die Materie: Wir haben das Elektron fixiert, wir haben unsere Welt verändert, und wir verändern sie dauernd, weil wir hier sind.
Aber nun weiter der Essay, bis zum Schluss:
Robert Jahn und Brenda Dunne setzten an der Universität Princeton in den 1970-er Jahren ihre Versuchspersonen vor ein Gerät, das drei Meter breit und zwei Meter hoch war. Er hieß »mechanische Zufallskaskade«, weil bei jedem Experiment 9000 Kugeln aus Polystyrol aus einem Trichter fallen und 330 Stifte passieren müssen, bis sie in 19 Behältern landen. Das Ganze erinnert an ein Flipper-Gerät, nur dass die Versuchsperson keine Möglichkeit hat, Kugeln wieder hochzuschießen; sie soll sich darauf konzentrieren, die Kugeln in die Behälter mit höheren Nummer fallen zu lassen, in die mit niedrigeren Nummern – oder ein Durchschnittsergebnis (baseline) zu erzeugen. 12 Minuten dauert ein Experiment. Jede Ankunft jeder Kugel wird verzeichnet. Es gab eine Reihe von Anomalien und „teilnehmerspezifische“ Grafiken, so dass jeder Beeinflusser einen eigenen »Steckbrief« erhielt. So wie jeder Mensch anders ist, weist jeder Mensch auch „seinen“ persönlichen PK-Steckbrief auf.
So ist Psychokinese höchst persönlich und besitzt symbolhafte Bedeutung. Die Frage »Wie haben Sie das gemacht?« ist entscheidend, sollte aber schon im Modell eine Rolle spielen, denn nur so kann ausgeschlossen werden, was nicht funktioniert. Robert Jahn und Brenda Dunne kamen auf den Gedanken, die »Resonanz« mit dem Gerät könne eine Rolle spielen. Sie nannten PK-Ereignisse »bewusstseinsbezogene Anomalien«. Heute hat sich dieser »Systemgedanke« durchgesetzt, und Forscher halten Psi-Phänomene für Korrelationen (gleichzeitig auftretende Ereignisse) in einem verkoppelten System aus Mensch und Maschine – also nicht für eine Wirkung oder ein Signal, sondern ein erwartbares Geschehen. Wichtig sind die Strategien der Teilnehmer, das Feedback und die entstandene Resonanz – oder Sympathie, Übereinstimmung, wie immer man es nennen will.
Global Consciousness
Bei Robert Jahn am Princeton Engineerings Anomalies Research (PEAR) produzierte der Zufallszahlengenerator 1000 Bits pro Sekunde, eine Art weißes Rauschen, und aus diesen 1000 Bits wurde ein »Sample« von 200 ausgewählt, jede Sekunde. Versuchspersonen konnten sich darauf konzentrieren, schwächere oder stärkere Signale haben zu wollen oder einen Mittelwert. In den 1990-er Jahren verbesserte sich die Software, und es wurden auch tragbare REG-Geräte entwickelt. Roger Nelson, nannte sein neues Projekt »Field-REG«, also Zufallserzeugung im Feld, und er schrieb: »Wir waren auf der Suche nach Situationen, die ein ›Gruppenbewusstsein‹ produzieren würden, weil die Menschen sich auf ein Ereignis konzentrieren, was zu einer konzentrierten Resonanz von Gedanken und Emotionen führt.«
Dahinter steckt der bestrickende Gedanke, dass menschliche Emotionen zu einer dramatischen Veränderung von Zufalls(Zerfalls-)werten führen. Es gibt deutliche Ausschläge. Nelson betrachtete die Beerdigung von Prinzessin Diana und von Mutter Teresa als Testläufe, die ihn überzeugten. So wurde im November 1997 ernst gemacht und das Projekt EGG gegründet, was für Elektrogaiagram steht – Gaia ist die Erde auf Griechisch. Mittlerweile stehen 65 so genannte Eggs (Eier) auf dem Erdball verteilt und senden ihre Werte nach Princeton.
Helmut Schmidt prognostizierte schon 1984 Ausschläge der Zufallswerte, die Glockenform annähmen, weil sie nach ihrem höchsten Punkt wieder zurückgingen. Eine ebensolche »Glocke« zeigen die Daten des 11. September 2001 – zwei Stunden, bevor das zweite Flugzeug in die Twin Towers raste. Bei der Vereidigung von Barack Obama rissen die Werte in der Sekunde aus, als der amerikanische Präsident die Eidesformel sprach. (Die Wahl eines neuen Papstes? Sorgt das für weltweite Emotionen? Wir können einmal Roger Nelson fragen, die Geräte sind ja immer eingeschaltet. )
Allerdings ist es derzeit unmöglich, die unerwarteten, schockierenden Ereignisse von den lang erwarteten zu trennen. Hier ist ein Phänomen, das zeigt, dass massenhafte Emotionen Veränderungen auf der Mikroebene bewirken. Allerdings sind dies nur in Daten übersetzte Emotionen, die allenfalls zeigen, dass da etwas ist; denn auch die Veränderung von 100 Milliarden Zufallsprozessen würden nicht dazu ausreichen, einen Stuhl auch nur einen Millimeter zu verrücken.
Im nächsten Lang-Essay soll der ganze Forschungsgang der Parapsychologie näher unter die Lupe genommen werden. Dass die Ergebnisse noch nicht ganz zufriedenstellen können, mag auch am Geldmangel liegen, unter dem auch das Global Consciousness Project leidet. Der amerikanische Parapsychologe Dean Radin, der am Institute for Noetic Sciences in Kalifornien arbeitet und mit Entangled Minds einen lesenswerten Blog schreibt, klagte einmal, warum so viel Geld dafür verwendet werde, Mittel herzustellen, um andere umzubringen? Wenn nur ein Prozent der weltweiten Aufwendungen für die Waffenproduktion der Parapsychologie zu Gute kämen, könnte die Welt eine bessere sein.