Edelkomparsen

In Zürich habe ich am vergangenen Wochenende endlich Django Unchained von Quentin Tarantino gesehen, den wohl jeder sonst schon kennt. Im Abspann tauchte sein Name auf, und da fiel es mir ein: Ja, das war sein Gesicht. Er hatte sich eine Nebenrolle gegeben und wird auch erschossen, aber das ist in diesem Film ohnehin das Schicksal von geschätzten 90 Prozent der Mitwirkenden.  

Zum Film selber will ich nicht viel sagen. Grandios natürlich, packend, unter die Haut gehend. Ich bin aber darüber erschrocken, wie urplötzlich da Leute erschossen werden: ohne Vorwarnung. Paff und tot. Da ist man sprachlos. In anderen Filmen hat jemand den Tod vor Augen, darf noch eine Sekunde nachdenken, doch in Django Unchained kommt das Ende wie ein Blitz aus heiterem Himmel: für den Sheriff zu Beginn, für DiCaprio gegen Ende und auch für die drei Mitarbeiter der Minengesellschaft, deren Vorarbeiter Tarantino spielt. 

Der Zahnarzt (Christoph Waltz) schießt sofort (Sony Pictures)

Alfred Hitchcock (1899−1980) tauchte auch immer kurz in seinen Filmen auf. In einem frühen Film, The Lodger − A Story of the London Fog (1926) ist er zum ersten Mal zu sehen. Er sitzt in einer Zeitungsredaktion. In dem Buch Mr Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? (deutsch 1973), in dem er sich von seinem Kollegen François Truffaut interviewen ließ, gibt er als Grund an: »Reine Zweckmäßigkeit. Um das Bild zu füllen. Später wurde es dann zum Aberglauben, und dann zum Gag. Inzwischen ist es ein ziemlich lästiger Gag geworden. Damit sich die Leute den Film in Ruhe ansehen können, bringe ich es möglichst immer in den ersten fünf Minuten des Films hinter mich.«   

Tarantino kommt ziemlich gegen Ende ins Spiel. Ich weiß nicht, ob er das öfter macht. Wim Wenders hat sich auch manchmal als Statist in seine Filme eingebracht; bei Alice in den Städten steht er in den USA an einem Spielautomaten. Komparsen hätten im Gegensatz zum Statisten, schreibt Wikipedia, »geringfügig individuellere Rollen«. Dann waren Wenders und Hitchcock eher prominente Statisten, während Tarantino in seinem Film eindeutig ein Komparse ist, vielleicht sogar ein Kleindarsteller, weil er ja etwas Text hat.  

Quentin Tarantino in seinem Film (Sony Pictures)

Das ist, denke ich, ein Spielchen in der Kunst. Der Schöpfer tritt in seiner Schöpfung auf und am liebsten inkognito. Maler haben sich manchmal klitzeklein hineinporträtiert oder wenigstens ihren Namen untergebracht, und Romanautoren versuchen es auch (bei Paolo Coelho kenne ich es, aber besonders überzeugend wirkt das nicht). Das gibt dem Zuschauer und Leser ein gutes Gefühl: Ich habe es entdeckt! Zur ideellen »Handschrift« des Urhebers kommt seine überraschende Anwesenheit.  

Aber das eigentlich Überraschende ist die Abwesenheit der Schöpfer in Film und Literatur. Die Regisseure und Drehbuchautoren und viele andere wirken hinter den Kulissen, und ohne sie wären die Schauspieler nichts. Was man dann sieht, ist, wie überall, ein Destillat, ein Konzentrat, wie wenn aus einer Tonne Trauben eine Flasche Schnaps entsteht.  

 

 

 

 

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