Geld und Weltgeschichte

Ich nahm mir, inspiriert vom Zahir, den opulenten Bildband Das Geld vor, geschrieben um 1960 von Ernst Samhaber. Das Buch hatte 60 Jahre lang die spärliche Bibliothek meiner Eltern geziert, ohne dass ich es je zur Hand genommen hätte. Nun lernte ich viel und beschloss, rasch eine alternative Weltgeschichte zu skizzieren, in der das Geld seine ihm gebührende Rolle erhält. 

Die Sumerer schufen nicht nur die Sprache, sondern auch das Geld. Sie lebten etwa 3000 vor Christus im Zweistromland, im heutigen Syrien und Irak. Geld ist ein Zahlungsmittel, wie das Automobil ein Transportmittel und die Sprache ein RgeldVerständigungsmittel ist. Die Kombinationen der Buchstaben im Alphabet gehen ins Unendliche, doch ist es der Sinn der Sprache, sich einander mitzuteilen und damit Nutzanwendungen zu schaffen. So schön das Automobil — nicht darum geht es, sondern um den Transport. Und Geld ist ein Pfand, ein aufgeschobener Kauf, eine Potenz. Geld ohne Waren und Güter ist nichts. In dem Buch las ich:

Nicht die Edelmetalle, lehrte Adam Smith, sondern der Ertrag der Arbeit, die Waren … machen den Wohlstand der Nationen aus.

Es gibt zwei Todsünden gegen das Geld als Zahlungsmittel: wenn man die umlaufende Menge künstlich erhöht und wenn man Münzen aus dem Verkehr zieht, indem man sie hortet. 

appiaantica2Als das Römische Weltreich existierte, spielte Geld schon eine Rolle.

Nero, römischer Kaiser, setzte den Silbergehalt der Münzen herab, was zu Misstrauen führte. Wo kein Vertrauen herrscht, werden keine Kredite gegeben. Verschwendung und eine unglückliche Geldpolitik führten letztlich zum Untergang Roms: »Im Sturm der Völkerwanderung brach die Wirtschaft des Römischen Reiches zusammen.« Doch auch das Geld verschwand im Mittelalter, bis 800 Jahre später in Italien die ersten Banken gegründet wurden.

009tizianCarlos I. von Spanien, geboren 1500, lieh sich bei den reichen Fuggern und Welsern in Augsburg 856.000 Dukaten und wurde dadurch zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gewählt. Sein ganzes Leben lang, bis 1556, führte Kaiser Karl V. Kriege, ohne sich um die Finanzen zu kümmern. Er hinterließ ein völlig verarmtes Spanien. Auch die Handelshäuser, die ihm endlos Geld geliehen hatten, brachen zusammen. Holland übernahm als Seemacht Spaniens Rolle.

Im Jahr 1527 war wieder einmal kein Geld dagewesen, um die Landsknechte zu bezahlen. Sie meuterten und fielen über die Stadt Rom her, die sie verwüsteten. Dieser sacco di Roma hat Karl bis zum Ende seines Lebens leid getan.

Noch zu Lebzeiten Kaiser Karls V. breiteten sich Protestantismus und Calvinismus aus. Sie fingen die Empörung über das übermächtige Geldwesen auf, und der von Luther bekämpfte Ablasshandel — Geld gegen die Lossprechung von Sünden — war nur eine äußerliche Ausprägung. Die Adeligen waren scharf auf die Güter der Kirche, der im 14. Jahrhundert die Hälfte aller Grundstücke im Land gehörten, und schlugen sich deshalb auf die Seite der Protestanten. So kam es zum Dreißigjährigen Krieg, der von 1618 bis 1648 währte.

OIPlouisquatorzeLudwig XIV., der Sonnenkönig, war zur Welt gekommen, als dieser Krieg schon 20 Jahre tobte. Ludwig ließ Versailles ausbauen und lebte auf großem Fuß. Wie Kaiser Karl V. führte er unaufhörlich Krieg, bis zu seinem Tod 1715. Das Geld dafür sollte irgendwie sein Finanzminister heranschaffen. Nach dem Tod des Sonnenkönigs (1721) stand Frankreich mittellos da. Versailles musste verkauft, der Hof aufgelöst werden.

England verhängte neue Steuern über seine Kolonien in der Neuen Welt, aber die dortigen Bürger wollten nichts zahlen. Sie wollten auch mitreden (No taxation without representation), und als England Truppen entsandte, kam es zum Krieg, als deren Folge die Vereinigten Staaten von Amerika entstanden, die sich 1776 ihre Unabhängigkeitserklärung gaben.

OIPbastille13 Jahre später entzündete sich die Französische Revolution: wieder am Geld. Der Adel und die Geistlichen hatten keine Lust, gerechte Steuern zu zahlen. Die Armen sollten bluten wie bisher. Finanzminister Necker gewann den dritten Stand für sich (die Bürger), und die allgemeine Missstimmung entlud sich im Sturm auf die Bastille 1789.

Nach Napoleon, also im 19. Jahrhundert, entwickelte sich der Welthandel, weil die Kriege aufhörten. Der Autor schrieb:

Die Weltfinanz bildete eine einzige geschlossene Interessengemeinschaft. Sie zerbrach 1914.

 

Illustrationen (von oben nach unten): »Der Geldwechsler« von Marinus van Reymerswaele (1497-1567); die Via Appia antica außerhalb Roms; Kaiser Karl V. (gemalt von Tizian 1548); König Ludwig XIV. (gemalt von Hyacinthe Rigaud, 1701); die Erstürmung der Bastille.

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