Das Unbewegte Begreifen

Da wir gerade bei Japan sind, bleiben wir bei Suzukis Zen und die japanische Kultur. Zen ist etwas zwischen Religion, Philosophie und Lebensstil und setzte sich besonders in der Kriegerkaste durch, bei den Samurai. Suzuki erwähnt ein zentrales Thema: das Unbewegte Begreifen oder das Eine Herz

Suzuki erwähnt Takuans Brief an Yagyu Tajima-no-Kami über die Verbindung von Zen und Schwertmeisterschaft, der die Überschrift Vom Unbewegten Begreifen trägt. Eine Technik erlernt zu haben genügt nicht; man sollte auch in den Geist seiner Tätigkeit eingedrungen sein.

2021-04-28-0007Dieser Geist ist aber erst dann richtig erfasst, wenn sein Herz in vollkommenem Einklang mit dem Prinzip des Lebens selber steht, das heißt, wenn er den geheimnisvollen Seelenzustand erreicht, der als »Mushin« oder Nicht-Bewusstsein bezeichnet wird. … Psychologisch gesprochen ist es ein Gemütszustand absoluter Passivität, in dem die Seele sich uneingeschränkt einer »fremden« Kraft überlässt. Hier wird der Mensch sozusagen zum Automaten, was seine Bewusstheit betrifft. … Unbewusst und dennoch bewusst — dies verblüffende Paradox beschreibt allein diesen Seelenzustand.

 

Weiter lesen wir bei Takuan, den Suzuki zur Gänze zitiert:

Unbewegtes Begreifen ist das beweglichste Ding der Welt: es ist beeit, in jede denkbare Richtung zu gehen und hat doch keinen Einhaltepunkt.

RfudoFudo, der Gott des unbewegten Begreifens, trägt ein Schwert in seiner Rechten und eine Fangschnur in seiner Linken, und seine Zähne sind grimmig, seine Augen brennend vor Zorn, er bedräut die bösen Geister, die seiner Lehre Schaden tun möchten. … Unbewegt bedeutet ohne Aufregung sein, die Aufmerksamkeit nicht auf eine Stelle heften und sie dort »einhalten« lassen, sonst könnte sie nicht sich nicht anderen Stellen zuwenden, die ohne Unterlass aufeinander folgen. Sowie ein Gegenstand vor dir erscheint, wirst du ihn ganz von selbst wahrnehmen, aber du darfst nicht bei ihm »einhalten«.  

Die nächste Stelle kannte Heinrich von Kleist schon, der sie in seiner Parabel vom Marionettentheater meisterhaft umsetzte:

service-pnp-cph-3g00000-3g08000-3g08600-3g08655rWenn deine Unbewegte Erkenntnis erwacht ist, so kehrst du gewissermaßen zu der Stelle zurück, von der du ausgegangen warst. Erleuchtung ist letzten Endes ganz ähnlich der Unwissenheit selber. In ihr gewinnst du deine ursprüngliche Unbefangenheit wieder. Bei deiner Schwertkunst weiß der Anfänger auch nicht, wie er das Schwert halten, wie er sich decken soll und so weiter. (…) Sobald er aber die Kunst zu erlernen anfängt  und vielerlei über sie erfährt, so verliert er sogleich sein früheres Selbstvertrauen … Er ist jetzt schlechter dran als vorher. Wenn er jedoch Jahre hindurch seine Übung fortsetzt, so meistert er endlich die Kunst, er kümmert sich nicht mehr um das einzelne, alles wird ihm selbstverständlich, und er ist wieder derselbe, der er früher gewesen ist.

Diese Raschheit, dieses schnelle Reagieren finden wir auch bei den seltsamen Antworten der Zen-Meister auf Fragen, die wie aus der Pistole geschossen hervorkommen. Spontan und verrückt, wie Bilder der Lyrik manchmal, die einem gleichsam eingegeben werden.

Es gibt ein Wort, das wir oft anwenden: »Es darf kein Haar breit dazwischen sein.« Damit ist die Unmittelbarkeit der Antwort gemeint Klatscht man in die Hände, so entsteht im selben Augenblick ein Schall, da ist keines Haares Breite zwischen den beiden Ereignissen. (…) Wenn des Gegners Schwert auf dich niederfährt, und dein Sinn hält dabei ein, so entsteht ein Zwischenraum, der sogleich deinem Gegner zum Vorteil wird. Wenn aber kein Zwischenraum, nicht von eines Haares Breite, zwischen deines Feindes Hieb und deinem Gegenschlag belassen bleibt, so wird sein Schwert das deine sein.(…)

Die Antwort muss unmittelbar wie ein Blitz erfolgen. (…) Das, was auf einen Anruf sofort erwidern lässt, ist Buddha-Weisheit, an der ale Wesen teilhaben, auch Götter und Menschen, Weise und Unwissende. Tust du, was solche Weisheit dir eingibt, bist du ein Buddha oder ein Gott. So verschieden die Lehren des Shinto, der Dichtkunst, des Kung-Futse sein mögen, sie zielen letzten Endes alle auf die Erfassung des »Einen Herzens«.

Schön noch die abschließende Bemerkung:

Dasselbe kann man auch von der Tanzkunbst sagen. Du nimmst einfach den Fächer in die Hand und stampfst mit den Füßen auf, indem du dich umherbewegst. Sowie du aber von dem Gedanken besessen bist, wie du deine Arme und Beine richtig und wirksam bewegen sollst, so ist dein Herz festgehalten, und dein Tanz ist verdorben. Vollkommene Hingabe bedeutet ein vollkommenes Vergessen des Ich und aller Dinge, die mit ihm zusammenhängen. 

 

Illustration unten links: Ronin, Taiso Yoshitoshi, 1839-1892)

 

 

 

 

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