Nippy

Heute vor elf Jahren ist Whitney Houston gestorben. Es war mein Geburtstag und ist es immer noch (heute: Schnapszahl). In jenem Jahr, 2012, erschien an ihrem Geburtstag, weil ich das so wollte, der erste manipogo-Artikel, Das Orakel. Darin ist erwähnt, dass ich nach Nippys Begräbnis am 18. Februar 2012, das im Fernsehen kam, zum Rhein fuhr und dort einen toten Schwan fand. Nun habe ich den neuen US-Film über ihr Leben gesehen.  

indexWhitney Houston: I Wanna Dance With Someone ist natürlich großes amerikanisches Kino, etwas wie »Schicksalsjahre einer Sängerin«, wie wir’s mit denen einer Kaiserin, Sissy, hatten. Jedes Weihnachten läuft zuverlässig dieser Film mit Romy Schneider — auch eine wunderschöne Frau und tragische Figur. Whitney, verkörpert von Naomie Ackie, darf sehr viel singen und triumphal sich von Tausenden bejubeln lassen, weil diese Sehnsucht viele antreibt: berühmt, schön, bewundert und stinkreich zu sein.

imagesCAXXBVWUMag sein, dass manche Elemente ihres Lebens unterschlagen oder heruntergespielt wurden, etwa ihre Drogenexzesse mit Ehemann Bobby Brown, den sie 1992 geheiratet hatte. Der Weg in die Drogenabhängigkeit ist psychologisch nicht schlüssig dargestellt. Auch der Jubel darüber, dass Whitney Anfang Februar 1991 beim Super Bowl die US-Nationalhymne singen durfte, hat einen bitteren Geschmack, wenn man bedenkt, dass eine Koalition unter Führung der USA erst im Monat zuvor den Irak zerbomben ließ, was viele Zivilisten tötete.

IWDWS_Szenenbild_2_0Ihre Stimme machte sie zur gefeiertsten Sängerin, die schon mit ihrem Debutalbum 1985 alle Rekorde brach und mit dem Film Bodyguard 1992 den Höhepunkt ihrer Karriere erreichte. Dann kam Bobby, von dem sie sich 2007 scheiden ließ. Durch die Drogen litt ihre Stimme, was bei einer Welttournee 2011 alle bemerkten. Es gibt noch ein Interview vom November jenes Jahres, ihr letztes, in dem sie noch ganz entzückend lacht und erklärt, sie sei reifer geworden, und ihre Tochter sei ihr größter Schatz. »We just wait and see what’s going on«, sagt sie zum Abschluss. Am 11. Februar 2012 wollte sie am Abend noch in der Pre-Grammy-Night auftreten, doch dazu kam es nicht mehr.

Whitney warf sich alles Mögliche ein und stieg in die Badwanne, wo sie ertrank, weil ihr Körper schon vorgeschädigt war. Ihre Tochter Bobby Kristina Brown erbte all die Hunderte Millionen, doch auch eine unheilvolle Disposition: Wie ihre Mutter fand sie  einen Liebhaber, der sie mit Drogen köderte, und mit 22 Jahren lag sie auch leblos in ihrer Badewanne, und vier Wochen später starb sie in einem Hospiz.

thumbnail[8]Im Film sieht man die Künstlerin (links mit ihrem letzten Album) im Badezimmer, die sich auf den Abend freut, an dem sie »Home« singen würde, ohne zu ahnen, dass sie gleich heimgehen würde, und noch einmal erinnert sie sich an ein Konzert 1994, das wiederum ein Triumph war. Der Glaube an einen neuen Anfang, an ein Comeback verleiht der letzten Szene ihre Tragik, und wer weiß, vielleicht ist dieser Gedanke an einen Neustart schon die Vorahnung des Abschieds, der ja auch ein Neuanfang ist wie in dem Buch Die Brücke von San Luis Rey angedeutet. Im Abspann liest man, dass sie starb. Bobby wird nicht erwähnt.

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Ich vergass zu erwähnen, wie schön es im Kino war. Müllheim, Sübaden, das einzige Kino der Stadt, riesig, mit weinrot bespannten Sitzen, und die Zahl der Zuschauer betrug vielleicht 12. Familiär am Eingang, viel Platz und viel Ruhe. Vorn, links neben der Leinwand, stand ein altes Vorführ-Modell mit Filmspulen, in Betrieb vermutlich von 1960 bis 2000. Ach, die vielen Filme über Filmvorführer und das Dorfkino! Etwa Cinema Paradiso der Gebrüder Tornatore und Im Lauf der Zeit von Wim Wenders.

Leichte Wehmut beschlich mich, denn die Kinos auf dem Land sind natürlich zum Aussterben verurteilt, und an ihre Stelle rücken Multiplexe mit 4 Sälen mit je einer Mini-Leinwand. Die Leute gehen nicht mehr ins Kino; und die Außenwelt verarmt. Wir brauchen sie auch kaum mehr, da wir überall von irgendwelchen Medien erreicht, umzingelt und zugedröhnt werden, und wenn uns das zu abstrakt wird, gehen wir auf eine Stunde ins Multiverse, um etwas zu erleben.

 

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