Oben am weißen See
Zum Frühlingsanfang ein Bericht über eine Wanderung auf 2000 Meter über dem Meer: zum blendend weißen Mattmark-Stausee unweit von Saas-Almagell an einem Tag mit Sonne und tiefblauem Himmel. Das war vor zwei Wochen; bald danach sollte es erneut schneien bis hinunter auf 1000 Meter, hörte man. Freuen wir uns am Schnee, so lange es ihn noch gibt.
Bei einer Wanderung hat man ein Ziel. Bei uns war es der besagte Stausee, 7 Kilometer von unserem »Hotel Sonne« entfernt. Erst geht es vorbei an dürren Waldstücken mit Schattenzonen; man passiert auch einen eingefrorenen kleinen Wasserfall; und dann sieht man in der Ferne die Kante der Einfassung, dorthin geht es.
Oben angelangt, sehen wir die Kante ganz nah und blicken auf den See, der weiß daliegt, schweigend und reglos.
Das ist die Bergwelt in ihrer Majestät. Und das ist nicht einfach ein weißer See mit schneebedeckten Bergen; wir sehen immer mehr darin, denn Bewusstsein schafft und will Bedeutung und findet — und muss finden — Entsprechungen in einem geistigen Reich: Das Weiß steht für Unschuld und Unberührtheit, und die Szenerie ist eine der Welt vor dem Menschen, die ihr Geheimnis in sich beschlossen trägt.
Auch wenn der See ein menschengemachter ist, entstanden in Jahren durch schwere Maschinen und Sprengladungen. Was da ist, scheint schon immer dagewesen zu sein, weil wir eine so kurzlebige Spezies sind (die in der Mehrzahl von ihrem unsterblichen Kern nichts wissen will).