Vor der Finissage

Früher dachte ich immer, Finissage sei ein Irrtum. Das Wort klingt auch unecht. Doch tatsächlich gibt es einen Umtrunk zum Ende einer Ausstellung, und dann werden die Bilder abgehängt, die Objekte weggeräumt. Aber eine Weile gibt es die Ausstellung Farben und Formen von Christine Supersaxo in der Galerie Frankengasse in Zürich noch: bis 27. April. 

Mein Foto ist von der Vernissage am 6. April. Es zeigt die Künstlerin dynamisch — und rechts drei Besucher.

 

Ein Blick in den Ausstellungsraum.

 

Ich bin früher immer gern an einem Werktag, am liebsten am frühen Nachmittag ins Museum gegangen, gern ins Kunstmuseum St. Gallen. Da war selten ein Mensch, und es gab Installationen in leeren Räumen. Es ist schön, die Treppe des Museums hochzusteigen und seine Schritte zu hören und dann in einem Raum zu stehen, alleine mit einem Kunstwerk oder mit Bildern. 

Wenn Bilder hängen, ist es ja immer so, als müssten sie so hängen und nicht anders, als sei die Lösung perfekt. Es ist wie beim Schreiben: Ich könnte meine Sätze auch anders schreiben, meine Argumente durcheinanderwerfen und ihre Reihenfolge verändern — wer es liest, wäre auch zufrieden. Er kann ja nicht verschiedene Versionen vergleichen. Sprache bezieht sich immer auf etwas, nur worauf? Jeder liest etwas anderes heraus. Es gibt keine objektiv richtige Lösung. Die Lösung, die dasteht, ist da und positiv.   

Ich bin also mit dem Raum zufrieden, der ist, wie er ist, und der groß sein muss. Dann stehe ich da, alleine, und es ist still. Ich höre das Rauschen der Stille in meinen Ohren. Ich stehe hier wie angewurzelt, und es ist, als wäre ich gar nicht da. In dieser Sekunde gehöre ich hierher und bin das starre kalte Zentrum meiner Welt.  

Ich bin auch ein Kunstwerk; der Raum ist Installation plus eingefrorener Betrachter, der aber von jemandem betrachtet werden muss, um Kunstwerk zu sein. Ich möchte eigentlich hier erstarren und ein Kunstwerk sein. Komisch, dass der Mensch sich gerne auflösen möchte. Er ringt um seinen Platz in der Welt, aber dann möchte er gern hinauffliegen in den Kosmos, einem anderen helfen oder lieben, sich aufopfern und hingeben und sein Leben einer guten Sache widmen.  

Er möchte sich verströmen und zu etwas Großem gehören, und sei es nur eine Firma, die Gutes für die Menschen tut (wenn es das gibt). Der Mensch will in der Liebe und der Religion aber nicht sich ganz auslöschen, sondern nur sein Ich. Das eigensinnige Ich ist das, was uns stört und uns am Glücklichsein hindert.

Ein Kommentar zu “Vor der Finissage”

  1. Christine

    Hallo Manfred! Ja das ist toll einen grossen Museumsraum mit grossen Bilder für sich zu haben. Nur die eigenen Schritte und sonst Stille.
    Witzig das Foto von mir in Aktion und die beiden Frauen scheint es sehr zu amüsieren!
    Eine gute Zeit. Ciao, Christine