Die Priesterin (und Päpstin)

Der Amerikaner Stafford Betty war Professor für Religionsgeschichte in Kalifornien und hat viel über das Jenseits publiziert, vor allem in Romanen. Nach The Afterlife Therapist wandte er sich nun wieder der Religion zu und entwirft in seinem neuen Buch The Womanpriest (Die Priesterin) ein Bild des Katholizismus, wie er in der Zukunft aussehen könnte. Michael Tymn hat Betty interviewt. 

s200_stafford.bettyIn dem Buch spricht sich Stafford Betty über Gott und das Jenseits aus, über Abtreibung, Homosexualität, die Unfehlbarkeit des Papstes, Selbstmord und über »einen Haufen veraltete Doktrinen und arrogante alte Männer«. So formuliert es jedenfalls der Verlag White Crow Press.

Wir schreiben das Jahr 2080. Macrina McGrath wird zur Päpstin geweiht und baut die katholische Kirhe zu etwas um, das — in den Worten des Autors — »dem Namen katholisch gerecht wird«. (Katholisch ist griechisch und bedeutet allumfassend: Jesus Christus hat die Lehre zu allen geschickt.) Stafford Betty kam mit 25 Jahren aus Vietnam zurück und entdeckte plötzlich, dass er nichts über Gott und das Jenseits wusste und sein Glaube brüchig war. Er verließ dir Kirche und fand dafür die indischen Religionen, die er in seinen Seminaren vertrat.

Betty sprach Michael Tymn vor, wie er heute das Glaubensbekenntnis beten würde:

_DSC1649Ich glaube an Gott Vater und Mutter, Schöpfer des Universums. Ich glaube an die ethischen Lehren von Jesus Christus, dessen Leben durch korrupte Männer, die er deutlich verurteilte, auf tragische Weise beendet wurde. Er wurde wie ein Krimineller unter Pontius Pilatus gekreuzigt, doch sein Geist starb nicht. Kurz nach seinem Tod sahen ihn seine engsten Freunde im Geiste und überzeugten sich, dass er, obschon im Himmel, noch bei ihnen war; und sie konnten ihre Freude nicht bezähmen; und aus dieser Freude erwuchs eine junge Bewegung, die bald Christentum genannt werden sollte.

Ich glaube, dass dieser göttliche Geist Jesu‘ in allen von uns lebt und dass die christliche Kirche existiert, um uns dabei zu helfen, nach Jesu Vorbild Heilige zu werden. Ich glaube, dass wir berufen sind, einander zu vergeben und zu lieben und dass wir ebenso geliebt werden und uns vergeben werden wird. Ich glaube, dass das Leben ewig währt und der Himmel das endgültige Ziel darstellt, für das alle Männer und Frauen geschaffen wurden. Amen.

Warum geht man überhaupt in die Kirche? fragte Michael Tymn. Sein Interviewpartner wies auf Statistiken hin, die besagen, dass Kirchgänger gesünder sind, glücklicher und oft auch ein erfülltes Sex-Leben haben. Nach der Messe am Sonntag lernen einsame Menschen beim Kaffeetrinken andere kennen. Die Musik und der Ritus seien erhebend, und der Gedanke an das Gute bringe manchmal Engel in uns hervor.

Abschließend bemerkte Stafford Betty, der Katholizismus habe der Welt viel Großes gegeben.

_DSC1638Er nennt die Kathedralen, die geistliche Musik und die Gemälde; und auch den Dienst an den Armen und die Liebe zur Mystik. Doch hat sich, sage ich, die Welt nach vorne gedrängt, und die Kirchen waren nicht in der Lage, eine Aternative dazu aufzuzeigen. Sie blieben stets in der Defensive (auch in der Corona-Zeit) — und selbst dann, als (bei den Missbrauchsaffären) eine klare Haltung angebracht gewesen wäre. 

Der flächendeckende Rückzug der Gläubigen ist bedrückend. In meiner katholischen Gemeinde leben 2000 Menschen. In der Sonntagsmesse sitzen allenfalls 40. Die katholische Kirche von Sulzburg wird demnächst geschlossen, hört man. Priesternachwuchs fehlt;doch wozu brauchen wir noch Priester?

Der Ex-Professor Betty hofft darum auf Reformen.

OIP.SidiGiASHfNVw1-fXInlwgHaJDMacrinas Geschichte zeigt, wie dies geschehen könnte. Wenn die Kirche sich erst dazu entschließt, Frauen zu Priesterinnen zu machen, wird ein Katholizismus, der zudem Lehren aus der Geistigen Welt in sich aufnimmt, rasch eine neue Blüte erleben. Eines Tages wird eine wirkliche Macrina den Stuhl Petris erobern. Es könnte sogar vor dem Jahr 2080 geschehen, dem Datum, das im Roman eine Rolle spielt. 

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