Die dänische Rettungsaktion

Ich wollte etwas Gutes über Dänemark geschrieben haben, weil ich eigentlich am heutigen Tag mich dort aufzuhalten plante. Aber es kam anders. Ich erinnerte mich an eine berühmte Rettungsaktion, die 1943 die dänischen Juden ins sichere Schweden brachte.

Das steht in dem Buch Die Vernichtung der europäischen Juden von Raul Hilberg (1926-2007). An einem Tag im Frühjahr 1940 fielen die Deutschen in Norwegen ein und besetzten auch Dänemark. In Norwegen lebten 2000 Juden, die größtenteils nach Schweden fliehen konnten, das ihnen Asyl zugesagt hatte. 770 Juden allerdings wurden auf Schiffen nach Auschwitz geschickt.

In Dänemark gab es 6500 jüdische Bürger, die aber nicht viel Einfluss hatten und gut integriert waren. Doch die Nazis wollten trotzdem Aktionen. Ministerialdirigent Dr. Werner Best wurde nach Kopenhagen geschickt, ein harter Hund. Man wollte alle Juden in einer Nacht Anfang Oktober 1943 internieren und fortschicken. Doch nur 477 Juden fasste man und schickte man nach Theresienstadt. (Auch in Rom war eine nächtliche Aktion Oktober 1943 aus Sicht der Nazis ein Fehlschlag: Statt 8000 Juden bekamen die Deutschen »nur« 1000. Sie starben fast alle in Auschwitz.)

Schweden versprach, allen Juden Asyl zu gewähren. Nun geben wir Hilberg das Wort:

imagesdenmarkDiese Zusage war das Signal für eine der ungewöhnlichsten Rettungsaktionen der Geschichte. Die Organisatoren des Unternehmens waren Privatleute, die sich für die Aufgabe spontan zur Verfügung stellten: Ärzte, Lehrer, Studenten, Geschäftsleute, Taxifahrer und Hausfrauen. Keiner von ihnen hatte Erfahrung in derlei Dingen. Es waren beträchtliche Probleme zu überwinden: Um nach Schweden zu gelangen, mussten die Juden den Sund überqueren, eine 10-20 Kilometer breite Meerenge. Die Organisatoren mussten die dänische Fischereiflotte mobilisieren, um die Juden ans gegenüberliegende Ufer zu schaffen; sie mussten dafür sorgen, dass die Fischer bezahlt wurden; sie mussten sicherstellen, dass die Juden unbemerkt zu den Stränden gebracht und sicher auf die Kutter verladen wurden. Das war kein Kinderspiel.

Danish boatAber es gelang. Die Kosten von 500 Kronen für jeden Passagier kamen durch Spenden zusammen. Die dänische Polizei schützte die Beteiligten, und andere Bürger halfen mit, jüdische Habe zu verkaufen. Die Juden warteten in Hafendörfern Zeelands. Der Chronist Hilberg schrieb:

Dennoch liefen jeden Tag, den ganzen Oktober hindurch, Schiffe aus, und als die Operation abgeschlossen war, waren 5919 Volljuden, 1301 Teiljuden, die mit Juden verheiratet waren, in Schweden an Land gesetzt worden.

Ach, Teiljuden, was für ein idiotisches Wort! Dennoch war das wunderbar! Ein Lichtblick in jener dunklen Zeit. Ein ewiges Ruhmesblatt in der dänischen Geschichte.

Beim Lesen über Hilberg entdeckte ich, dass sein dreibändiges Werk schon 1954 fertiggestellt war. Der deutsche Veral, der 1963 die Rechte hatte, wollte es nicht drucken (der Cheflektor war früher in einem Lager der Nazis tätig und sprach sich gegen das Buch aus), dann gan es eine kleine Auflage 1982, die aber zu teuer war, und erst 1990 veröffentlichte der S. Fischer-Verlag die drei Bände: dies 45 Jahre nach Kriegsende und als das deutsche Volk andere Dinge zu besprechen hatte (die Maueröffnung).

Die Geschichte der planmäßigen  Verschleierung der Nazi-Untaten und der Verschleppung ihrer Veröffentlichung muss noch geschrieben werden.

Die Bilder sind aus dem dänischen Nationalmuseum (oben rechts) und dem Holocaust Cnter for Humanity, Seattle (unten). Ich glaube nicht, dass jemand etwas gegen die Veröffentlichung in diesem Kontext hat.  

 

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