Delirious

Nun nach der Sanftheit die Strenge. Im Islam und der Kabbala gibt es diese beiden Pfeiler, und Gott hat beides in sich. Darum etwas ganz Anderes. Wie war das? »And now for something completely different …«, die Überleitungen in Monty Pythons wunderbarer Welt der Schwerkraft, einem herrlich lustigen Film von 1971. Das andere heißt ZZ Top und fällt unter die Rubrik Schwermetall.

Die Formulierung »Beyoncé schickte mit ihrem 45-minütigen Auftritt ihre Zuschauer ins Delirium« in La Repubblica (mein Beitrag gegen Gewalt an Frauen) fand ich großartig. Da gab es den Song Delirious von ZZ Top auf einer Platte im Keller, ich fand sie und ließ das Stück jetzt gerade los, und über diese alte Texaner-Band hatte ich längst einmal schreiben wollen.  

1987 in Hamburg habe ich sie einmal gesehen, das Konzert dauerte nur 70 Minuten, ein schneller Trip. Bill Gibbons (Gesang, Gitarre), Dusty Hill (Bass) und Frank Beard (Schlagzeug): So traten sie erstmals am 10. Februar 1970 auf, und so treten sie heute noch auf nach 44 Jahren. Immer mit langen Bärten, Trenchcoats und Sonnenbrillen. 15 Alben haben sie veröffentlicht, alle drei Jahre eins, und Eliminator brachte den Welterfolg, Näheres auf Wikipedia. Ich habe nur Recycler, Afterburner und El Loco

Da waren sie mit einem 1933-er Ford Rod unterwegs, und unvergessen ist der Videoclip, in dem ein Musiker einem anderen den Schlüssel zuwirft − ein glitzernder Anhänger mit dem ZZ-Top-Signet −, der in Zeitlupe durch die Luft segelt. Genial. Auf Recycler gefällt mir And My Head’s in Mississippi, spannungsgeladen, I’m shuffling through the Texas sand, but my head’s in Mississippi, das singt Gibbons so monoton und tranceartig, und dann schalten sich Schlagzeug und Bass zu, und das Ding läuft durch, und Gibbons lässt seine Gitarre jaulen und kreischen und quietschen, dass es eine Lust ist, das fährt voll ein, eine Dosis Energie, und am Ende immer das fade-out, das mögen sie, irgendwie verschwindet der Song im Texas-Sand. 

Illustration: Rolf Hannes

Elektrisch verstärkte Musik hat unsere Jugend geprägt, Elektrizität ist Energie, es war Ekstase und Euphorie, weg mit dem ganzen banalen Alltagsquatsch und eintauchen in den Lärm. Schwermetall; und auch heute noch denke ich mir, ich sollte in Freiburg mal ein Konzert einer Death-Metal-Band besuchen. Harte und laute Musik ist einfach ein Lebenselixier, manchmal braucht man das, es belebt und schafft Spannkraft. Aber ZZ Top können auch pathetischen Rock spielen.    

Und dann wieder Delirious, der letzte Titel auf Afterburner (1985). Gleich die volle Dosis, primitiv, aber wirkungsvoll und einfach schwer, anders als die Micky-Maus-Rocker von Status Quo, volles Tempo bis zum Maximum, mysterious reimt sich auf delirious, die Gitarre übersteuert wieder, everybody got delirious, drei Mann entfesseln einen Orkan, natürlich ist das überproduziert wie immer in den 1980-er Jahren, aber ZZ Top finden immer wieder zurück zu ihrem einfachen Rhythmus, der dem Herzschlag entspricht und ihn anheizt, ach, ist das toll, Delirious, und auch das läuft dahin ohne Ende und verliert sich hinter dem texanischen Horizont, jenseits der Wüste.   

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