Leopold von Sacher-Masoch
Leopold von Sacher-Masoch, der seine letzten Lebensjahre auch in der Psychiatrie verbrachte, war nicht glücklich darüber, dass Krafft-Ebing seinen Namen für eine Pathologie benutzte. Sacher-Masoch schrieb von heiligen Frauen, die verehrt werden wollen, und alles hatte einen überweltlichen Hintergrund und war auch eine Übersteigerung der Frauenverehrung, 700 Jahre nach den Troubadouren.
Der Masochismus ergänzt den Sadismus und muss behandelt werden, aber so genau passen sie auch nicht zusammen. Sacher-Masoch wurde 1835 in Lemberg in Galicien geboren, weit im polnischen Osten, an der ukrainischen Grenze. Dort spielen seine Romane. Am bekanntesten wurde Venus im Pelz, auch Die Gottesmutter wurde viel gelesen, und das hatte ich mir einmal zugelegt.
Der junge Sabadil begegnet einer schönen jungen Frau und verliebt sich in sie. Es ist Mardona, die Herrin einer Sekte, die sich als Vertreterin Gottes auf Erden ansieht. Auch sie ist verliebt. Doch Sabadil betrügt sie und soll nun bestraft werden, wünscht sogar die Bestrafung. Mardona lässt ihn ans Kreuz binden, dann wird er sogar mit Nägeln befestigt, und schließlich erkennt sie, Gott wolle Sabadils Tod. »Ach, wie ist das süß!« stöhnt er, als der Nagel in sein Herz eindringt. Mardona bleibt teilnahmslos. Der Autor selber hat dazu erklärt:
Von Kain über Christus führt ein und dasselbe Zeichen zu dem Menschen am Kreuz, ohne Geschlechtsliebe, ohne Eigentum, ohne Vaterland, ohne Streit, ohne Arbeit, der freiwillig stirbt und die Idee der Menschheit personifiziert.
Die Kreuzigung lässt an das Christentum denken. Warum musste Jesus Christus sterben. Carl Gustav Jungs Antwort in dem Buch Antwort auf Hiob lautet so:
Das Unbewusste will ins Bewusstsein einfließen, um zum Lichte zu gelangen, und zugleich hindert es sich selbst daran, da es lieber unbewusst bleiben möchte, d.h. Gott will Mensch werden, aber nicht ganz. Der Konflikt in seiner Natur ist so groß, dass die Menschwerdung nur durch das sühnende Selbstopfer gegenüber dem Zorn der dunklen Gottesseite erkauft werden kann.
Die Bibel ist für Jung ein Buch der Bewusstwerdung des Menschen, und Jahwe tritt im Alten Testament oft als das Große Unbewusste auf. Sabadil aber hat gegen die Göttin gefrevelt; da wiederum denkt man an die Frauen, die von ihren Männern getötet werden, wenn sie sie verlassen wollen. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben! Diese Anwandlung von Rache, diese Wut kommt einem fast alttestamentarisch vor.
Oft werden im Masochismus Verträge aufgesetzt. Das geht nur zwischen zwei gleichen Partnern, die einander vertrauen.
In einem guten Beitrag, bei dem ich mich bedient habe, wird erläutert:
Doch der Ansatz von Sacher-Masoch schlägt fehl in dem bestehenden gesellschaftlichen System, das auf Ungleichheit aufgebaut ist. Hier ist nur der Geschlechterkampf möglich, das Hammer-oder-Amboss-Sein. So weist »Venus im Pelz« nur auf eine Utopie hin, wie er selbst am Ende ausdrückt: »Daß das Weib, wie es die Natur geschaffen und wie es der man gegenwärtig heranzieht, sein Feind ist und nur seine Sklavin oder seine Despotin sein kann, nie aber seine Gefährtin. Dies wird sie erst dann sein können, wenn sie ihm gleich steht an Rechten, wenn sie ihm ebenbürtig ist durch Bildung und Arbeit.«
Der Masochismus sei gekennzeichnet durch
die Spannung, die besteht zwischen Sehnsucht und Erfüllung, dieses Flüchtige Etwas, dessen Erfassung der masochistische Traum ist. Die Erfahrung des Wartens und der Spannung eignet dem Masochismus wesentlich. Zu den masochistischen Szenen gehören wahre Riten physischer Spannungen, wie Fesselung, Anbinden, Kreuzigung. … Weder die Schmerzeslust an sich, noch die Demütigung, Sühne, Bestrafung und Schuldgefühl erfassen das Wesen des Masochismus. Auch der Masochist findet keine Lust am Schmerz.
Die Form des Masochismus ist das Warten. Der Masochist erlebt das Warten im Reinzustand. … Der Masochist wartet auf die Lust wie auf etwas wesentlich Verzögertes, Aufgeschobenes, und erwartet den Schmerz als die Bedingung, durch welche sich die Lust (als physische und moralische) überhaupt erst einstellen kann. Er schiebt also die Lust immer so lange auf, bis ein ebenfalls erwarteter Schmerz sie erlaubt.
Dennoch gibt es die Süße des Schmerzes, auf den Mystiker hingewiesen haben (und Sexualität ist ja auch oft mit Schmerz verbunden). Menschen waren in der Lage, sich aufzuopfern für eine Idee, und frühe Christen konnten es kaum erwarten, das Martyrium zu erleiden. Es gibt diese bedingungslosen Opfertaten, durch die jemand sein Leben hingibt für einen anderen oder für eine Idee (die Freiheit), ohne erwarten zu können, dass die Idee sich gleich morgen verwirklicht.
Andere Opfer waren durchaus berechnend: Ich schenke etwas von mir her und verpflichte damit die Gottheit, mir das zu geben, was ich mir wünsche. Oder: Unser Menschenopfer stellt sicher, dass auch morgen wieder die Sonne aufgeht (im alten Mexiko). Auf solche Gedanken stößt man, wenn man nachdenkt über Liebe und Grausamkeit, Verlangen und Erfüllung.